Seelenangst
»Sag mir deinen Namen!«
»Meinen Namen?« Lucias Stimme sank um mehrere Oktaven und klang dumpf und dröhnend, als die Worte wie ein gurgelnder Strom schmutzigen Wassers aus ihrem Mund drangen. »Ich bin Laura de la Torrez, geborene Velazquez.«
Tomasso erschrak. Velazquez war tatsächlich der Mädchenname von Alvaros Mutter gewesen. Ein weiterer Beweis dafür, dass ein Dämon durch den Mund dieses besessenen Mädchens sprach.
»Gott Vater«, rief Alvaro, »du hast den widerspenstigen und abtrünnigen Geist dem Feuer der Hölle überantwortet und deinen eingeborenen Sohn in diese Welt gesandt, um den brüllenden Löwen zu zerschmettern.« Er trat nach vorn und hob das Kreuz. »Sag mir deinen Namen.« Er machte einen weiteren Schritt auf das Mädchen zu und wiederholte, drängender diesmal: »Sag mir deinen Namen!«
»Aaaaaa«, stieß Lucia hervor und streckte die Zunge heraus.
»Bei Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist«, herrschte Alvaro sie an, »sag mir deinen Namen!«
Lucia wand sich auf dem Stuhl und versuchte aufzuspringen, doch die beiden Diakone hielten sie fest. Hasserfüllt starrte sie Alvaro und Tomasso an. Dann spie sie den Namen hervor wie einen vergifteten Bissen: »Astarte!«
Tomasso sah, wie Alvaro sich kurz zu ihm umwandte und ein Auge zukniff. Astarte. Eine gute Nachricht für einen Exorzisten. Astarte war zwar einer der höheren Geister, aber nicht so gefährlich wie die des Triumvirats: Satan, Luzifer und Asmodeus. Oder Moloch, Baphomet und Adramelech. Ihm fiel wieder der Vergleich mit den Hunden ein. Die Kleinen kläfften am lautesten, waren aber zumeist harmlos, während die Großen still blieben, doch umso aggressiver und brutaler waren ihre Attacken.
Don Alvaro bekreuzigte sich, sprach ein Ave Maria und machte dann ein Kreuz auf der Stirn, dem Mund und der Brust des Mädchens.
Lucia strampelte, wand sich und versuchte aufzustehen, wurde aber von den Diakonen zurück in den Stuhl gedrückt.
»In principio erat verbum et verbum erat apud Deum et Deus erat verbum« , zitierte Alvaro den Beginn des Johannes-Evangeliums, eines der stärksten Exorzismen, die es gab. »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.«
»Mariaaaa«, kreischte Lucia und spreizte die Beine. »Sie ist genauso eine Schlampe wie deine Alte, Alvaro! Sie ist mit jedem ins Bett gestiegen! Und einmal bist du rausgekommen, hahaha!«
Alvaro sprach ungerührt weiter. »Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.«
Lucia grinste den Priester lüstern an und streckte obszön die Zunge heraus, während sie ihre Hüfte nach vorne schob. »Und Maria, diese Nutte …«
»Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.«
»Sie hat Joseph betrogen!«, schrie Lucia. »Sie ist mit irgendeinem Bauern ins Bett gegangen, und heraus kam Jesus!«
»Schweig, Satan!« Don Alvaro bekreuzigte sich und malte das Kreuz auf Lucias Stirn, während die Diakone das Mädchen im Klammergriff hielten. Dann legte Alvaro das Ende der Stola auf ihren Hals. »Seht das Kreuz des Herrn! Fliehet, ihr feindlichen Mächte! Gesiegt hat der Löwe vom Stamme Juda, der Spross Davids!«
»Fick dich!«, kreischte Lucia. Ihre Stimme klang wie das Kreischen rostiger Weichen an einem Gleis. »Jerusalem, Babylon, Maria … alles Nutten! Jesus hat mit Maria Magdalena gefickt! Alles Schlampen, alles Huren …«
»Vade retro, Satanas.« Don Alvaro wiederholte die Worte Jesu in der Wüste. Seine Hand zuckte nach vorn und kippte dem Mädchen Weihwasser auf die Stirn. Ein markerschütterndes Geheul ertönte.
»Neeeeein«, schrie Lucia und warf den Kopf hin und her, wobei ihre Haare am schweißnassen Gesicht klebten. »Es tut weh … es tut so weeeeh …«
Don Alvaro sprach unbeirrt weiter.
»In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sagte Jesus zu seinen Jüngern, wenn Schlangen sie anfassen oder sie tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden.«
»Gift!«, kreischte Lucia. »Es ist Giiiift. Es breeeennt!«
»Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen. Da sagte Jesus zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.«
Lucia krallte die Hände in die Lehnen des Stuhls und vergrub ihr Gesicht auf der Brust, während Alvaros Worte wie ein Trommelfeuer auf sie einhämmerten und einer der Diakone das Glaubensbekenntnis
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