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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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MacDeath kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Letzter Punkt«, sagte Clara. »Satanismus und Verehrung Satans. Der Letzte, über den Sie schreiben, ist Richard Ramirez, der Night Stalker. Bei ihm, sagen Sie, ist es am eindeutigsten. War Ramirez tatsächlich Satanist?«
    MacDeath zuckte die Schultern. »Behauptet er jedenfalls. Die Geschichte hat sich in den Achtzigerjahren in Los Angeles abgespielt. Ramirez ist in die Wohnungen von Paaren eingedrungen und hat sie umgebracht, wobei einer immer zuerst getötet wurde, vor den Augen des anderen. Ramirez behauptete, im AC/DC-Song Nightcrawler hätte Satan ihn zu diesen Morden aufgefordert.« Er nestelte an seiner Brille, ehe er fortfuhr: »Meistens hat er seine Opfer erschossen oder mit einem Messer ermordet, und wie Kürten und Fish nahm er an den Leichen häufig Deformierungen vor. Manche verstümmelte er, anderen riss er post mortem die Augen heraus und nahm sie mit.«
    »Und wieder Hybris?«, fragte Clara.
    »Wie so oft. Ramirez wurde übermütig und verplapperte sich gegenüber einigen Wohnwagenbewohnern in der Nähe von Los Angeles. Die wurden misstrauisch und holten die Polizei. Bei der Gerichtsverhandlung 1987 zeigte Ramirez ein umgedrehtes Pentagramm, das er in seine rechte Handfläche gemalt hatte, und begrüßte den Richter mit ›Heil Satan!‹.«
    Clara schüttelte den Kopf. »Aber ob er nun ein wirklicher Satanist war, weiß man nicht?«
    MacDeath verschränkte die Arme. »Das weiß er wahrscheinlich selber nicht. Aber er hat genug Zeit, darüber nachzudenken. Seit 1987 sitzt er in St. Quentin. Und da wird er bis zu seinem Tod wohl auch bleiben. Langweilig wird es ihm bestimmt nicht. Seltsamerweise gibt es eine Menge Frauen, die ihn besuchen.«
    »Warum tun sie das?«
    »Manche Frauen stehen auf Serienkiller, weil die es wagen, Grenzen zu überschreiten, und weil die Frauen sich bei ihnen auf seltsame Weise sicher fühlen. Einen seiner weiblichen Fans hat Ramirez sogar im Gefängnis geheiratet. Sie sieht ihn zwar nicht oft, aber dafür weiß sie wenigstens, dass ihr Mann sich nicht herumtreibt und nicht fremdgeht.« Er lächelte spitzbübisch. »Nicht nur Serienkiller, auch Frauen wollen schließlich Kontrolle.«
    »Frauen, die auf Serienkiller stehen …«, wiederholte Clara.
    »Man nennt sie auch Killergroupies«, erklärte MacDeath.
    Killergroupies, dachte Clara.
    »Denken Sie an Charles Manson und seine Family.« Er rückte seine Brille zurecht und lehnte sich zurück. »Fassen wir mal zusammen. Wir haben eine hybris-artige Selbsterhöhung, bei der der Killer annimmt, er wäre Teil einer höheren Macht, und der seinen Hass auf die Menschen und die Gesellschaft in besonders brutalen Morden kanalisiert. Beispiel Peter Kürten. Unser Killer hat zwar nichts von dem Opfer gegessen oder Teile des Körpers mitgenommen, soweit wir wissen, aber in der Brutalität seiner Tat korreliert seine Allmachtsfantasie mit der Inszenierung des Mordes.«
    Er stand auf, ging ein paar Schritte und blieb unter dem Schrank mit der brüchigen Arzttasche und dem Totenschädel stehen. »Gleichzeitig eröffnet er Referenzen zu übernatürlichen Wesen, nämlich das Zitat ›Mein Name ist Legion‹. Dann hat er noch den Drachen im Kehlkopf der Leiche platziert. Damit versucht er sich möglicherweise in eine Reihe mit diesen Wesen zu stellen und seinem eigenen Tun etwas Unvermeidliches zu geben, an dem niemand etwas ändern kann, auch die Polizei nicht.«
    Er ging ein paar Schritte weiter Richtung Fenster, schaute kurz in den nebelverhangenen Himmel und drehte sich dann wieder um, während Clara sich eifrig Notizen machte. »Von Albert Fish lernen wir«, fuhr MacDeath fort, »dass gottgleiche Hybris und messianische Selbsterhöhung dem Täter nicht nur sein eigenes Tun als gottgewollt vor Augen führen – nach dem Motto, ›wenn Gott nicht will, was ich tue, wird er mich schon aufhalten‹ –, sondern dass diese Selbsterhöhung auch mit Selbstverstümmelung verbunden sein kann.« Er ging zurück zum Schreibtisch, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »Während Fish glaubte, er sei Jesus Christus und Gott würde sein Tun gutheißen, ist unser Killer wahrscheinlich von der Gegenseite gesteuert – oder glaubt es zu sein. Die biblischen Sprüche, der Drache und die Art der Inszenierung zeigen eine deutliche Sympathie für das Satanische. Es könnte also sein«, sein Blick richtete sich wieder auf Clara, »dass er auch Verstümmelungen oder Verletzungen an sich

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