Seelenangst
war es Bellmann selbst. Wahrscheinlich, weil er ähnlich tickte.
»Und dafür brauchen wir Dr. Freese?«, fragte Clara noch einmal. »Ist das wirklich nötig?«
»Ja«, sagte Bellmann mit einer Stimme, die keinen Widerspruch mehr duldete. »Sonst würde ich es nicht anordnen. Und nun lassen Sie uns endlich zur Sache kommen. Gestern wurde Franco Gayo tot in seinem Büro gefunden. Gayo war Chef der Organisation Do ut des , die sich um Kinder aus Armuts- und Katastrophenregionen gekümmert und Spenden für sie eingeworben hat …«
»So die offizielle Version«, warf Clara ein.
Bellmanns Blick durchbohrte sie ein paar Sekunden lang. »Alles zu seiner Zeit«, sagte er. »Also weiter im Text. Offenbar hat der Mörder ihn das ganze Wochenende am Wickel gehabt und das mit ihm angestellt.« Er zeigte auf eines der Fotos, auf denen das Schwert aus Gayos Mund ragte.
»So ist es«, sagte Winterfeld. »Er ist an dem Drachen in seinem Kehlkopf erstickt.«
Bellmann sprach unbeirrt weiter. »Außerdem hat er am Tatort Hinweise zurückgelassen, die Sie zu der Vermutung bringen, dass es sich um einen religiös motivierten Ritualmörder handelt?«
MacDeath schaltete sich ein. »Der Bibelspruch und die Drachenskulptur lassen vermuten, dass er sich mit Dämonen oder sogar mit dem Teufel selbst identifiziert. Dieser Modus Operandi ist eine typische Dominanz- und Allmachtsfantasie, wie man sie häufig bei psychopathologisch bedingten Ritualmorden findet. Wir sind dabei, über den BKA-Rechner ähnliche Täterprofile aus ungelösten Fällen abzurufen.«
»Macht es uns diese Klassifizierung als Ritualmörder einfacher oder schwerer, den Täter zu finden?« Bellmann blickte alle drei nacheinander an.
»Beides ist möglich«, sagte Winterfeld.
»Also sowohl als auch.« Bellmann blätterte weiter, während Freese sich Notizen in ein Moleskine-Schreibheft machte. »Gleichzeitig wurde Gayos Sekretärin, Susanne Wolters, von einem Unbekannten ermordet, höchstwahrscheinlich am Freitag, damit der Killer am Freitagabend nicht gestört wird beziehungsweise damit er vorher in Gayos Büro alles in Ruhe vorbereiten kann.«
»Außerdem wurde Thomas Krüger getötet«, ergänzte Clara. »Kurz nachdem wir mit ihm gesprochen hatten.«
»Der Reihe nach«, sagte Bellmann und richtete den Blick auf Winterfeld. »Könnte dieser Unbekannte mit dem Killer identisch sein?«
»Könnte, muss aber nicht.«
»Wann wissen wir das?«
»Hoffentlich bald.« Winterfeld nahm die Kaffeekanne von Clara entgegen und schenkte sich, MacDeath und Freese Kaffee ein. »Am Tatort wurden Fingerabdrücke gefunden. Die laufen gerade durch den Rechner.«
»Und dann ist da noch die Schwester von dem Kinderheim.« Bellmanns Finger glitt über den Bericht. »Eine gewisse Viktoria Brigl. Sie hat einen USB-Stick mit Informationen über Gayo erhalten. Außerdem stand sein Name auf dem Stick. Die Frau wurde heute vernommen.«
»Nicht sie hat den Stick bekommen.«
»Sondern?«
»Eines der Kinder, die in dem Heim leben, hat ihn von einem Fremden bekommen.«
»Ein Mann?«
»Ja.«
»Hat das Kind uns diesen Fremden beschrieben?«
»Es kann leider nicht sprechen, aber die Kollegen haben ein Phantombild erstellt. Leider trug der Mann zur Tatzeit eine Sonnenbrille, deshalb wird es schwierig, ihn zu identifizieren, wenn er die Brille nicht trägt. Der kleine Junge hat auch ein paar Wachszeichnungen gemacht. Wir analysieren sie gerade.«
»Hat diese Viktoria Brigl den Fremden gesehen?«
»Nein.«
»Könnte er der Killer sein?«
»Möglich.«
»Hat dieses Kind etwas mit Gayo zu tun?«
»Indirekt«, sagte Winterfeld. »Der USB-Stick enthält nicht nur den Namen von Gayo, sondern auch umfangreiche Dateien zu dem wirklichen Geschäft, das Gayo betrieben hat.«
Bellmanns Blick huschte über die Seiten, während er mit spitzen Lippen von seinem Kaffee nippte. »Kinderprostitution und Menschenhandel, wie Sie hier schreiben.«
Winterfeld nickte.
»Kann dieser Stick vom selben Täter kommen? Ich meine, vom Mörder Gayos?«, fragte Bellmann. Er schaute sich das Phantombild an, auf dem der hagere Mann mit der schwarzen Brille zu sehen war.
»Kann sein«, sagte Winterfeld. »Zumindest gäbe es dann ein Motiv für den Täter, Gayo auf derart grausame Weise zu ermorden.«
»Wissen wir schon, wer dieser Mann ist?«
»Geht gerade durch den Großrechner beim BKA. Erich Weber hat das Phantombild ebenfalls bekommen.«
»Könnte der Täter selbst ein früheres Opfer von Gayos
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