Seelenangst
Menschenhandel gewesen sein?«
»Auch dann wäre zumindest ein Motiv gegeben«, sagte Winterfeld. »Andererseits macht Gayo diese Geschäfte erst seit …«
»… vier Jahren«, sprang Clara ihm bei.
»… seit vier Jahren«, beendete Winterfeld den Satz. »Er wäre dann, wenn er selbst ein Opfer gewesen ist, höchstens fünfzehn Jahre alt. Das erscheint mir viel zu jung, um einen derart bestialischen Mord zu begehen, ganz zu schweigen von der Planung.«
»Wenn er kein Opfer ist, welches Motiv könnte er dann haben?«
»Es könnte mit der satanistischen Art und Weise des Mordes zusammenhängen«, sagte MacDeath. »Eine Art Aufwertung des Mörders durch die Art der Opfer.«
Bellmann hob die Augenbrauen. »Wie meinen Sie das?«
»Satanisten glauben, dass die Lebensenergie eines Opfers in sie übergeht. Je mehr das Opfer sich quält, desto besser. Manche Täter bevorzugen unschuldige Opfer, wie Kleinkinder oder Tiere. Andere bevorzugen Opfer, die fast genau so schlimm sind wie sie.«
»Trotzdem. Warum gerade Gayo?«
»Weil er nach außen hin ein guter Mensch zu sein schien«, sagte MacDeath. »Aber im Innersten war er böse wie der Satan.«
»Interessant«, sagte Bellmann, während Freese sich eifrig Notizen machte. »Bleiben Sie da mal dran.« Er blickte über die Papiere. »Dann gab es noch einen«, sagte er, trank einen Schluck Kaffee und blätterte die Seiten um. »Der andere, von dem sie gerade sprachen. Thomas Krüger, genannt Tom, offenbar ein Manager von Gayo, mit dem er sich auf unterschiedlichen Kommunikationswegen ausgetauscht hat, und von deren Unterhaltung einige Notizen auf besagtem USB-Stick dokumentiert sind. Außerdem hat Gayo noch am Freitagabend von seinem Festnetztelefon in seinem Büro aus mit ihm gesprochen.« Claras Blick folgte seinem Finger, der über den Bericht glitt. »Dieser Krüger wurde heute verhört und wenige Stunden später von Einsatzbeamten in seiner Wohnung in der Choriner Straße in Mitte besucht, wo er offenbar kurz zuvor ermordet wurde, erschossen mit einer Nagelpistole.« Er las weiter, und sein Blick hellte sich kurz auf. »Die Fingerabdrücke des möglichen Täters am Tatort sind identisch mit denen in Gayos Büro und denen in der Wohnung von Susanne Wolters?«
Winterfeld nickte.
Bellmann schaute kurz aus dem Fenster. »Passt Ihrer Ansicht nach der Modus Operandi im Büro im Quartier 101 zu der Vorgehensweise bei Wolters und Krüger?«, fragte er dann.
»Eine sehr berechtigte Frage«, antwortete Winterfeld. »Da scheint es durchaus Diskrepanzen zu geben, die wir prüfen. Ein Mord war sehr gut durchgeplant, die anderen eher dilettantisch.«
Bellmann schaute alle der Reihe nach an. »Wenn das mit Gayos Menschenhandelsring stimmen sollte, können wir es uns nicht leisten, das zu ignorieren. Sie«, er zeigte auf Winterfeld, »werden ab sofort mit dem BKA und Interpol kooperieren, um diesen Menschenhandelsring trockenzulegen. Sie waren ja ohnehin mal für einen Posten im Gespräch, die Interpol-Aktivitäten mit dem Innenministerium zu koordinieren.« Für einen Karrieremenschen wie Bellmann war es immer noch unvorstellbar, dass Winterfeld diesen Job damals abgelehnt hatte und lieber für die Mordkommission arbeiten wollte. »Und Herrn Weber kennen Sie ja schon. Er wird ihr Hauptansprechpartner in Wiesbaden sein. Die Kollegen von Interpol benenne ich Ihnen noch heute Nachmittag.«
Winterfeld verzog das Gesicht. »Sie ziehen mich von dem Fall ab?«
Clara spürte einen Stich im Magen. Winterfeld war immer ein Ruhepol für sie gewesen, ein väterlicher Freund. Und nun sollte er gerade bei diesem Fall nicht dabei sein? Ausgerechnet jetzt?
Bellmann nickte. »Wir können es uns nicht leisten, diese unglaublichen Vorgänge zu ignorieren.« Er blickte Clara an. »Sie, Hauptkommissarin Vidalis, werden weiter die Fälle Gayo, Wolters und Krüger bearbeiten. Sie werden sich dabei mit Kriminaldirektor Winterfeld austauschen, sofern es Ihren gegenseitigen Ermittlungen hilft. Und …«
Sie hatte es gewusst. Das Schlimmste kam noch.
»Sie werden in diesem Fall direkt an mich berichten. Außerdem werden Sie jeden Ihrer Schritte mit Dr. Freese abstimmen, der ebenfalls an mich berichtet.«
»Das ist nicht Ihr Ernst«, sagte Clara.
»Das ist mein voller Ernst«, erwiderte Bellmann gereizt. »Wir sind hier in einem Ermittlungsverfahren von höchster Brisanz und nicht auf dem Rummelplatz, wo jeder macht, was er will.«
Clara seufzte. »Ja, Chef.«
»Gut.« Bellmann wischte sich
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