Seelenangst
Abschiedsgala für diesen Gayo geplant ist.« Er nahm die Ermittlungsakte von seinem Platz, während er Frau Bories, die gerade auf dem Weg nach draußen war, einen kurzen, eisigen Blick zuwarf. »Stellen Sie künftig nicht jeden dahergelaufenen Journalisten zu mir durch, klar?«
Frau Bories schien um ein paar Zentimeter zu schrumpfen. »Er sagte mir, er sei vom BKA.«
»BKA!«, zischte Bellmann. »Die haben meine Durchwahl. Und wenn es der Kaiser von China wäre. Als ob wir hier nicht genug zu tun hätten.«
Er ließ die Mappe auf den Konferenztisch fallen, setzte sich und schaute seine drei Besucher an, wobei er jeden mit einem kurzen, durchdringenden Blick fixierte. Erst jetzt fiel Clara der Mann auf, der in einer Ecke des Büros saß und auf seinem BlackBerry herumtippte. Nun stand er auf und kam zu ihnen. Der Mann war ungefähr eins achtzig groß und blond. Er trug ein blaues Hemd ohne Krawatte, einen graubraunen Anzug und eine Designerbrille mit schwarzem Rahmen. Nach Polizei sah er nicht aus, fand Clara.
»Also«, begann Bellmann und schlug den Bericht auf. »Sie sagen mir jetzt alles, was ich wissen muss. Die Presse bombardiert uns die ganze Zeit mit Fragen. Auch der Regierende Bürgermeister hat sich schon mehrmals nach dem Stand der Dinge erkundigt. Es ist nur eine Frage von Stunden, bis die ganze Sache auch auf Bundesebene hochgekocht ist.«
»Und wer ist das?«, fragte Clara und wies auf den Mann mit der schwarzen Brille und dem BlackBerry.
»Oh, ja, verzeihen Sie, Sie kennen sich ja noch gar nicht«, sagte Bellmann. »Das ist Dr. Andreas Freese, der uns in diesem Fall bei der Öffentlichkeits- und Pressearbeit unterstützen wird.«
»Angenehm«, sagte Freese und nickte allen zu.
Angenehm?, dachte Clara. Ein Medienfuzzi soll sich jetzt auch noch einmischen? Als ob es nicht schon genug Ärger gäbe.
»Mit allem Respekt, Dr. Bellmann«, sagte sie, »aber was wir vor allem brauchen, sind mehr Kapazitäten bei der Spurensicherung und den sonstigen Ermittlungen. Ich weiß nicht, inwieweit uns da Presseexperten …«
»Gestatten Sie, dass ich anderer Meinung bin und dass Sie die Gesamtplanung unserer Operationen mir überlassen?«, fiel Bellmann ihr ins Wort. »Wenn die Details des Mordes an Gayo und die möglichen Hintergründe, die mir bereits mitgeteilt wurden, an die Öffentlichkeit dringen, haben wir als Polizei ein Riesenproblem. Dagegen ist Jack the Ripper ein Klingelstreich. Sie erinnern sich doch sicher an den Medienrummel um den Facebook-Ripper im letzten Jahr?«
»Wir haben damals nichts an die Presse gegeben«, sagte Clara.
»Nein.« Bellmann schürzte die Lippen. »Das hat der Killer selbst getan. Und um genau das zu verhindern, haben wir Dr. Freese mit an Bord. Sie, Hauptkommissarin Vidalis, werden mit ihm zusammenarbeiten.«
Clara glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Ich werde was? «
Freeses Blick huschte zwischen Bellmann und Clara hin und her.
»Dr. Freese ist der Beste, den wir kriegen können«, sagte Bellmann. »Er hat lange Jahre in der Werbung und als Pressesprecher gearbeitet. Dann ist der Berliner Senat auf ihn aufmerksam geworden. Seitdem hat er ihn ein paar Mal beraten.«
»Kommt dieser blöde Slogan be berlin von ihm?«, fragte MacDeath.
Clara sah, dass Freeses Gesicht rot anlief.
»Nein«, sagte Bellmann. »Dann hätten wir ihn nicht genommen.«
»Er ist aber nicht der, der im Winter 2009/2010 so erfolgreich von dem Schneechaos und den mangelnden Räumfahrzeugen abgelenkt hat, dass alle ihn von da an ›Schneefräse‹ nannten?«, fragte Clara.
»Doch«, sagte Bellmann, »genau der.«
Das hatte Clara befürchtet.
Freese stand mit hochrotem Kopf da und sagte nichts.
»Sollen wir das jetzt auch wieder machen?«, sagte Clara. »Wir haben hier Morde aufzuklären. Die Geschichten dahinter sind schrecklich genug, da müssen wir uns für die Presse nicht noch neue Storys ausdenken. Die Realität reicht völlig.«
»Meinen Sie nicht, es könnte Ihnen den Job erleichtern, wenn jemand Ihnen in einer solchen Situation Rückendeckung gibt, sodass Sie nicht die ganze Zeit Pressespekulationen kommentieren müssen?«, fragte Bellmann.
Alle schwiegen ein paar Sekunden lang nachdenklich. Schließlich nickte Winterfeld, dann MacDeath, und schließlich auch Clara. Letztendlich hatte Bellmann recht, auch wenn Clara nicht begriff, was dieser Freese nun eigentlich tun sollte. Denn wenn jemand das Talent besaß, Politiker, Medien und alle anderen Neugierigen ruhigzustellen,
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