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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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mich nämlich beworben. Jede Wette, Sie kommen nicht drauf, wofür!«
    Â»Sicher nicht. Ich hab in meinem Leben bisher noch jede Wette verloren.«
    Â»Würden Sie diesmal auch! Ich wollte nämlich beim Gewitzten Kater mitmachen, zwanzig Folgen zu zehn Minuten für Kinder. So was wie das Sandmännchen , nur früher. Dienstags und freitags zehn nach fünf sollten die laufen, im Zweiten …«
    Â»Sie entschuldigen mich, bitte, ich habe eine kleine Tochter, und die muss ich heute Abend versorgen.«
    Â»Ach herrje, ich hab aber auch ein Glück …«
    Â»Normalerweise sieht meine Schwester nach ihr, aber die ist heute Abend im Theater.« Jordan fühlte sich unwohl in seiner Haut bei dem Gedanken, jemand könne denken, der berühmte Mann erfinde billige Lügen, um sich von aufdringlichen Verehrerinnen loszueisen.
    Â»Ach, ich mit meinem Glück! Das kann ich eigentlich auch gleich wegschmeißen wie früher die Hufeisen, die wir in den Kanal geschmissen haben, in den Perlowo-Bach … Aber wem sag ich das, Sie sind ja auch aus dem Viertel!«
    Jordan war schon an ihr vorbei, da fiel ihm etwas ein. Er setzte ein Lächeln auf und fragte:
    Â»Sie sagten, Sie heißen Dida Dionissieva. Hieß nicht Ihre Schwester schon so?«
    Â»Ach, das«, stutzte die junge Frau, und Jordan vermeinte, wirklich ein Knistern in ihrem Haar zu hören. »Meine Schwester heißt eigentlich Darina und wird bloß Dida gerufen; ich heiße Daniela und – na ja, wie Sie sehen, hat man mir denselben Spitznamen verpasst.«
    Draußen war es kalt. Der Schnee schimmerte wie eine Blaupause aus seiner Schülerzeit. Doch in der Luft lag auch der feine Hauch des Wandels, ein fast nur zu erahnender Duft nach Frühling. Jordan hüllte sich tief in seinen Mantel und ging raschen Schrittes Richtung Evlogi-Georgiev-Boulevard. Die spärlich gesetzten Neonlaternen schieden so etwas wie ein gelbliches Halbdunkel von der Nacht, auf der Parkfläche duckte sich ein Rudel herrenloser Hunde. Ansonsten kein lebendes Wesen draußen; es war öd und leer wie vor Erschaffung der Welt. Auf einmal drängte sich ihm ein Gefühl von Einsamkeit auf, das so zermürbend war wie ein langweiliger Mensch, mit dem er gezwungen war, den ganzen Abend zu verbringen. Das Selbstmitleid kroch in ihm hoch wie eine schwere Erkältung. Es schüttelte ihn vor Einsamkeit.
    Seit »Neda von uns gegangen« war, wie sein Vater den Unfalltod seiner Frau immer in Watteworte packte, hatte Jordan keinerlei intime Beziehungen zu Frauen unterhalten, obwohl das Leben um ihn herum, gleichzeitig träg und monoton, und dann wieder voller Überraschungen und prickelnder Momente, ihm Verlockungen ohne Zahl bescherte. In der Kulturabteilung der Abendnachrichten gab es eine Kollegin mit schwarzer Mähne, die aus Plowdiv kam und ein weiches Bulgarisch sprach. Die machte ihm ganz unverhüllt schöne, olivgrüne Augen. Eines Abends lud sie ihn ein, sich die alte Silberuhren-Kollektion ihres Mannes anzuschauen. Als die Tür aufging, war sie im Morgenmantel. Sie hatte die patinierten Uhren, unter ihnen einige Stücke von hohem Sammlerwert, in der Tat auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet. Der Kollektionär selbst befand sich gerade auf Dienstreise. Malina, so hieß sie, bot ihm Whisky an, sich selbst goss sie Campari ein. Sie lachte ohne Grund, der Morgenmantel öffnete sich scheinbar zufällig über ihren runden Schenkeln, und Jordan sah, dass sie darunter nichts als ihre gespannte Erwartung trug, der seine leichte Verstörtheit Gesellschaft zu leisten begann. Ihr Lachen wurde immer abgehackter und hysterischer, Jordan verspürte den wohlbekannten Schmerz in seinen Weichteilen, der ihn nicht weniger erschreckte als damals, in jenem fernen Sommer, bei der achtjährigen Darina Dionissieva. Er bat sie um einige Eiswürfel und nutzte die Zeit, in der Malina, noch immer auf ihre sonderbare Weise lachend, das Eis aus der Küche holen ging, aufzustehen und einfach zu gehen.
    Einige Monate später, auf der Geburtstagsfeier seines Schwagers Simeon, gestand ihm eine Mitstudentin seiner Schwester, die bereits bekannte Schauspielerin Maja Manolowa, nachdem sie ihren Wodka auf ex geleert hatte, dass sie wegen seiner Sendung Runder Tisch die prollige Gewohnheit angenommen habe, fernzusehen. »Du warst perfekt«, sagte sie mit einem verträumten Blick in die Ecke, »und es war

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