Seelenasche
reichlich kompromittiert und habe mir die Hände schmutzig gemacht, aber so verantwortungslos mir selbst gegenüber, so käuflich bin ich nun auch wieder nicht.«
Major Petrov war sichtlich unzufrieden mit Christos Absage.
»Dann bleibt Ihnen nur die zweite Möglichkeit, und die müssen Sie dann schon akzeptieren.« Dem Blick des Majors nach zu urteilen, der sich nun geradezu auf die Kakerlake heftete, musste es sich dabei um etwas Widerliches handeln.
»Und welche wäre das?«
»Reich werden!«
»Ich verstehe nicht ganz«, lachte Christo erleichtert, denn er hatte sich vorgestellt, die zweite Möglichkeit, die schlimme, bestünde darin, den öffentlichen Buhmann spielen zu müssen, das Bauernopfer, oder â noch schlimmer â den Henker!
»Ich habe mich auch nicht richtig ausgedrückt«, sagte der Major, der nun blitzschnell seinen Fuà ausstreckte und die Kakerlake zertrat. Auf seinem Gesicht mischten sich ein seltsamer Ausdruck von Kummer, Verträumtheit und mühsam beherrschtem Neid. »Ich wollte sagen: Reichtum anhäufen ⦠groÃen, sehr groÃen Reichtum!«
5
Heute trafen sie sich vor den breiten, von gewaltigen steinernen Löwen flankierten Stufen zum Justizpalast. Nachdem sie sich so lange heimlich und »undercover« getroffen hatten, dass ihre ganze Beziehung von den Nervenfasern der Angst durchzogen war, hatte er absichtlich den öffentlichsten Treffpunkt ausgesucht, den man in Sofia wählen konnte. Er hatte für sich beschlossen, dass er diese Art von feierlichem Ausgleich jetzt brauchte, denn er sollte das Ende ihrer Beziehung markieren. Die Trennung. Nach dem gestrigen Gespräch mit Major Petrov vermeinte er, den Geruch nach Versteck, Chlorkalk, muffigen Laken und Flytox in Zimmer 505 ihrer alten, heruntergekommenen Absteige nicht mehr ertragen zu können. Die historischen Ereignisse nach dem Mauerfall hatten Minister Sdravkov längst von der politischen Bühne hinweggeblasen, und nun löste der Gedanke, Dessislava könnte etwas von seiner sexuell unterfütterten Denunziantentätigkeit erfahren, nur Verzweiflung und Selbsthass bei ihm aus. Er musste nun Charakter und männliche Entschlossenheit beweisen und ⦠mit Mariana Ilieva Schluss machen.
Das Frühjahr trieb seine Knospen in den schütteren Bäumen entlang des Witoscha-Boulevards. Aus der Ferne betrachtet, sahen sie aus, als wären sie eingehüllt in einen gelblich-zarten Schein, der aber schon kommende Lebenskraft verhieÃ. Die Sonne strahlte, erwacht aus ihrem winterlichen Schlummer, mit jener selbstbewussten Kraft, die dem zuwächst, der weiÃ, dass seine Zeit gekommen ist. Die vielen Menschen auf der hauptstädtischen Flaniermeile waren wie trunken von der moussierenden Luft, lächelten blöde und ohne ersichtlichen Grund, einfach glücklich. Sie hatten einen strengen Winter in unbeheizten Wohnungen und im Kampf um das tägliche Brot überlebt, den sie genauso gut auch nicht hätten überleben können.
Christo steckte sich eine Zigarette an und seuftze. Er fühlte sich müde und ⦠ja, benutzt, geradezu missbraucht, und hatte kaum geschlafen. Die gestrige Unterredung mit Petrov hatte ihn fix und fertig gemacht, ihn erniedrigt und vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Penetrant lieà er in seinem Kopf immer wieder den Film aus der BiglastraÃe ablaufen, um sich an ein überhörtes Wort, ein übersehenes Detail zu erinnern, das ihm half, Petrovs Andeutungen vielleicht doch noch entschlüsseln zu können. Er war nicht einfach nur durcheinander, er war zerschmettert. Das Vorhaben General Grigorovs erschien ihm völlig unrealistisch, eher Horrortrip als Vergnügungsreise. Er konnte nicht anders, als zu denken, dass man ein übles Spiel mit ihm getrieben hatte, und dass man jetzt erst so richtig begann, seine angeborene Naivität und Leichtgläubigkeit auszunutzen, um ihn an den Pranger zu stellen. »Und wenn ich nicht will?«, hatte er nämlich nach dem zweiten Vorschlag Petrovs gefragt. Und der Major hatte ihm voller Verachtung geantwortet: »Dann wären wir gezwungen, Ihre Zusammenarbeit mit uns an die Ãffentlichkeit gelangen zu lassen, nicht ohne zu betonen, wie fleiÃig und kooperationswillig Sie doch waren.«
In diesem Moment bemerkte er Mariana. Sie wechselte die StraÃenseite. Wie sie so das Licht auf sich zog, sah sie derart verführerisch
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