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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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pedantisch, vollkommen schonungslos mitzuteilen, was Sache war. Seine Lippen bewegten sich schon, er war schon dabei zu sagen: Das war unsere letzte Begegnung, Liebste, wir müssen uns trennen, da sagte Mariana:
    Â»Das war unsere letzte Begegnung, Liebster, wir müssen uns trennen.« Sie ließ ihren Kopf auf seine Brust fallen, schlang aber die Arme um ihr Gesicht, um ihre Verzweiflung vor ihm zu verbergen, ihren Ekel vor dem eigenen Verrat, ihrer eigenen Schande. Sie schaute auf die Uhr und stöhnte. Stand auf. In panischer Hast befestigte sie ihre Strumpfhalter an den Strümpfen, schlüpfte in ihren Body, suchte das richtige Knopfloch für die Knöpfe und stieß hervor: »Ich hab keine Zeit, in fünf Minuten muss ich …« Sie war atemlos, wirkte müde, tödlich ermüdet. »Du hast mir gestern gesagt, du würdest beim Ministerium kündigen, das war ein Signal für mich, und ich habe gleich auch gekündigt.«
    Â»Ja, und wovon willst du leben? Was ist mit deinem Sohn? Warte doch mal, lass uns …«
    Â»Christo, ich bin eine reiche Frau.«
    Â»Du?«
    Nicht, dass er ihr nicht glaubte … In diesen Jahren passierten die unglaublichsten Dinge und wirbelte das ganze Leben der Menschen durcheinander; nein, er wollte einfach Zeit gewinnen, um die Folgen seines Überraschtseins für sich verarbeiten zu können, das Bewusstsein seiner plötzlichen Bedeutungslosigkeit, die Frustration über seinen zertretenen Mannesstolz, sein Selbstmitleid.
    Â»Sehr reich …« Mariana stand mit dem Rücken zu ihm, suchte ihre Schuhe. War das da ein Seufzen, oder weinte sie? »Ich hab nämlich geheiratet!«
    Â»Das ist ja schrecklich.« Er konnte seine Fassungslosigkeit einfach nicht verbergen. »Das habe ich nicht verdient, das ist ja … grausam. Und wen?«
    Â»Ich weiß, aber ich hatte keine Wahl. Weißt du, seit langem fühlte ich, dass du mich nie, verstehst du, niemals …«
    Â»Dass ich niemals was ?«
    Â»Hab jetzt keine Zeit für Erklärungen, bin spät dran.« Sie drehte sich um. Sie weinte tatsächlich. »Zwischen uns ist alles aus, aber ich kann dich nicht verlieren. Wenn ich dich nicht sehe, werde ich verrückt.«
    Und Christo erwiderte im Brustton der Überzeugung: »Was heißt hier: ›Wir können uns nicht mehr sehen‹?« Er ergriff ihre Hand, übersäte sie mit Küssen, versuchte, sie festzuhalten.
    Â»Es gibt nur einen Ausweg … Bitte unterbrich mich jetzt nicht, wir haben keine Zeit … und der ist: Eddi und du werdet Partner.«
    Â»Welcher Eddi? Was heißt hier ›Partner‹?«
    Â»Na, Geschäftspartner eben.«
    Â»Aber ich bin Jurist, und dazu noch Beamter, Bleistiftstemmer und Aktenschlepper, ich verstehe nichts von Geschäften.«
    Â»Solange ich seine Frau bin, wird er dich nicht übers Ohr hauen.«
    Vor lauter Eile knöpfte sie ihren Pelzmantel schief zu, während sie ihm hastig berichtete, sie habe Eddi erzählt, Christo sei ihr bester Freund, der sich um sie und ihren Sohn in den Jahren nach ihrer Scheidung gekümmert und sie vor den Schwitzehändchen Minister Sdravkovs und seinem üblen Geruch nach läufigem Rüden gerettet habe.
    Â»Du kannst nicht wissen, nicht einmal vermuten, wie dankbar Eddi dir ist. Er wird sich bei dir melden. Bitte, sag ihm nicht ab, schwöre mir, dass du sein Angebot annehmen wirst!« Sie schaute auf ihre Uhr und lachte hysterisch auf. »Schwöre, oder ich bleibe hier, bis die Stiernacken mit ihren Goldketten uns finden und …«
    Â»Gut, ich schwöre …«
    Dann war er allein. Allein mit dem unglücklichen Spiegelbild eines nackten, verblödeten, in seiner eigenen Farblosigkeit versackten Mannes. Er trank einen Schluck aus seinem Flachmann und ließ sich auf die zerwühlten Laken fallen, die nun dezent nach Patschuli rochen, nach ausgeschwitzter Untreue. Nach Mariana. Nach etwas, das anbrandete wie eine Flutwelle, katastrophal und großartig zugleich. Die Angst packte ihn mit derselben Gewalt, mit der ihn kurz zuvor die Leidenschaft ergriffen hatte. Er erinnerte sich, wie Dessislava einmal ihre Stupsnase krausgezogen und gesagt hatte: »Es sieht ganz so aus, als ob unsere Angst vor der Freiheit der wahrste und lebendigste Teil unserer Angst vor dem Tod sei!«
7
    Im Parkett war es durchdringend kühl, geradezu kalt; das Theater hatte kein Geld für

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