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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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und schmerzhaft schön aus, dass alle Männer sich die Köpfe nach ihr verrenkten. Am Fuße der imposanten Treppe blieb sie stehen und schaute sich um. Sie erkannte ihn, lächelte ihm aber nicht zu. Sie trug einen Nerzmantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte. Einen so kostspieligen Pelz hatte Christo sein Lebtag noch nicht gesehen. Ihr lackschwarzes Haar war streng nach hinten gekämmt und zu einem Dutt hochgesteckt, ihr Gesicht verriet Müdigkeit. Als sie aber näher kam, sah er, dass aus ihren grünen Katzenaugen eine wilde, verzweifelte Traurigkeit sprach. Was für eine Frau, was für eine unglaubliche Frau, rieselte ihm durch den Kopf, ich muss verrückt sein, Herrgott nochmal!
    Â»Du siehst großartig aus!«
    Â»Bin ich zu spät?« Mariana wirkte gehetzt. »Wir haben keine Zeit, ich werde jeden Moment hier abgeholt.«
    Â»Wer holt dich denn ab?«
    Â»Wie es aussieht, für immer«, antwortete sie scheinbar unlogisch, sah sich ängstlich um und stellte schützend den Kragen ihres Mantels hoch.
    Â»Die sind wunderschön«, bemerkte Christo, dem es bei ihren Worten im Inneren einen Stich gab.
    Â»Wen meinst du mit ›die‹?«
    Â»Na, die Felle dieser totgeschlagenen kleinen Räuber«, sagte er gehässig und strich mit der Handfläche über den seidenweichen Pelz.
    Â»Nicht doch, es kann sein, dass wir beobachtet werden«, flüsterte sie ihm zu.
    Sie wühlte in ihrer Handtasche, holte ein Päckchen teurer Slim-Zigaretten heraus und begann zu rauchen. Ja, diese Frau veränderte wirklich die Atmosphäre des Platzes, an dem sie stand. Um sie herum war ein Leerraum entstanden, als gäbe es eine Absperrung. Dahinter konnte ein Jüngling mit Aknepickeln die Augen nicht von ihr lassen; er sah aus, als hätte er Drogen genommen. Christo hatte sich vorgenommen, Mariana seinen Beschluss sofort und ohne Umschweife mitzuteilen, sie danach in ein sündhaft teures Restaurant einzuladen, aber … auf einmal wurde er doch wieder schwankend.
    Â»Ich hab dich gerufen, um dir zu sagen, dass du bei uns im Ministerium heute nicht mehr weißt, was morgen ist. Alles gilt nur auf Abruf, bis auf weiteres …«
    Â»Das heißt?« Mariana sah so verzweifelt aus, war so durch den Wind, dass er nicht sicher war, ob sie seine Worte überhaupt verstanden hatte.
    Â»Bei uns wird im Moment alles ständig verändert, ist alles nur eine Zwischenlösung ohne Perspektive und ohne Sinn.«
    Â»Aber die wollten doch die Justiz endlich wieder zur dritten Gewalt im Staate machen?« Sie verstand wirklich nicht, worauf er hinauswollte. »Unabhängig und absolut unbestechlich …«
    Â»Ach, Quatsch … Die Justiz wird immer abhängig bleiben von den Parteien, die ihre Leute im Apparat haben, und vor allem abhängig von denen, die in der Lage sind, ihr die gewünschten Sümmchen zu zahlen. Und wer könnte das wohl sein?« Er lächelte bitter. »Die gut organisierten Kriminellen.«
    Marianas Gesicht verkrampfte sich auf einmal, und ihre Augen wurden starr, als hätte er sie geohrfeigt.
    Â»Warum erzählst du mir das alles? Das will ich gar nicht wissen.«
    Â»Weil ich daran denke, zu kündigen.«
    Â»Und was machst du, wenn du vom Ministerium weg bist?«
    Â»Geschäfte!«
    Â»Da sind sie schon«, entfuhr ihr ein Stoßseufzer. Ihre Stimme zitterte, ging fast weg, und er fürchtete, sie könne in Ohnmacht fallen. »Frag mich nicht, aber ich muss gehen. Bitte, versprich mir, schwör mir, dass wir uns morgen sehen. Es ist schrecklich wichtig. Für dich, Liebster.«
    Â»Gut, dann morgen hier zur gleichen Zeit.« Als er den nagelneuen Mercedes 600 sah, der sich der Gehsteigkante näherte, fiel ihm vor Überraschung die Zigarette aus der Hand. In solchen Limousinen hatte sich vor der Wende noch nicht einmal das Politbüro herumchauffieren lassen. Die schwarz glänzende Luxuskarosse hielt fast lautlos, zwei muskelbepackte, kaugummikauende Hünen sprangen heraus. Ihre Köpfe waren kahlgeschoren. Sie trugen schwarze Sonnenbrillen, schwarze Anzüge und schwarze Hemden, die so weit aufgeknöpft waren, dass man darunter ihre schweren Goldketten sehen konnte. Bei so viel Schwarz, dachte Christo, konnten einem ja schwarze Gedanken kommen. Mariana beeilte sich, ihm noch schnell mit heiserer Stimme zuzuraunen:
    Â»Nein, nicht hier, hier kann ich nicht … in

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