Seelenasche
denn dann so fehlinformiert, mein Bester? Ich hab sie aufgrund ihrer vermuteten MaÃe nämlich eingestellt! Hier, wo wir sowieso schon jeden Lev zweimal umdrehen müssen. Dabei liegt mir Timmi Teebeutel ausm Café unten schon seit ânem halben Jahr in den Ohren, er bräuchte eine Hilfe im Ausschank.«
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Der Firmensitz von Eduard Toschev, Eigentümer der Tankstellenkette Eco Plus und überdies allgemein bekannt als »König der Küchentechnik«, befand sich im Poly Print, dem architektonisch ambitioniertesten Gebäude Bulgariens aus sozialistischer Zeit, das â wie man im Jargon sagte â »auf die Ãrtlichkeit reagierte« und die Form des Witoscha durch zwei Bergspitzen aus Stahl und Glas »aufnahm«. Es befand sich auf dem Boulevard der Bulgarisch-Sowjetischen Freundschaft, der im Zuge der StraÃenumbenennungen nach der Wende nun Boulevard Kliment Ochridski hieÃ. Eine Reihe von West-Firmen hatten hier ihre Niederlassungen, gleich daneben die frechsten bulgarischen Geldschneider. Wegen seiner stark getönten Glasfront hieà dieses Architekturwunder bei den Fernsehleuten intern nur »das Einmachglas«. Der Tag war sonnig, der Himmel tiefblau und rein, auf dem Boulevard herrschte kaum Verkehr. Die Luft roch noch morgenfrisch und frühlingshaft, die Blümchen im wohlgepflegten Vorgarten des Geschäftsgebäudes waren einladend aufgeblüht.
Jordan war zehn Minuten zu früh, aber Dida wartete schon vor dem Haupteingang auf ihn, frisch geduscht und nach Nina Ricci duftend, lächelnd wie ein kleines Mädchen, das endlich mit Papa ihr Lieblingsmärchen im Puppentheater schauen darf, weil es brav gewesen ist. Ihr fuchsrotes Haar hatte Volumen, aber ihr Gesicht war ungeschminkt. Ihre bläulichen, leicht schielenden Augen hatten Wärme angenommen und spielten nun ins Graue. Gekleidet war sie diesmal zu Jordans Erleichterung in ein strenges graues Kostüm, dessen Rock bis unters Knie reichte; dadurch wirkte ihr Körper nicht einfach nur schlank, sondern grazil. Daniela freute sich sichtlich, als sie ihn ankommen sah, und sie verbarg es nicht.
»Auf was soll ich machen, Chef?«, fragte sie so atemlos, als sei sie von der Russischen Botschaft hergerannt.
»Spiel dich selbst«, blaffte Jordan zurück, der sich über sich selbst ärgerte, weil er merkte, dass ihr ÃuÃeres ihn nicht unberührt lieÃ. Er hatte das Gefühl, sie wolle ihn aufs Glatteis führen, ihn übertölpeln, und das erniedrigte ihn vor sich selbst.
»Aber Chef, wir sind doch hier, um â¦Â«
»Ich spiele mich, du spielst dich ⦠und aus«, insistierte er und ging, ohne auch nur zu versuchen, Kavalier zu sein, vorneweg.
Der Vorschlag, Daniela zu diesem schwierigen und entscheidenden Verhandlungsgespräch mitzunehmen, kam übrigens von Sima. »Das Mädel ist jung«, hatte sie gesagt, »attraktiv und unkonventionell. Und Toschev soll, wie ich gehört habe, schon ein alter Sack sein. Da wirkt die jugendliche Anmut gleich doppelt: Sie bricht das Eis und überwindet die Distanz.« »Na gut, wenn du meinst«, hatte Jordan missmutig zugestimmt, »aber richte ihr von mir aus, wenn sie es wagt, wieder in so einer knalligen Disco-Bluse und so ânem nuttigen Röckchen aufzukreuzen, dann jag ich sie zum Teufel.«
Die Geschäftsräume von Eco Plus befanden sich auf der fünften Etage und nahmen den ganzen Südflügel des Gebäudes ein. Man hatte von dort einen grandiosen Blick auf das Witoschagebirge, das sich gerade mit zartem, gelbgrünem Flaum überzogen hatte; die von der Stadtseite sichtbare Bergspitze stand kantig und grau vor der Bläue des Himmels wie ein abgebrochener Riesenzahn. Toschevs Sekretärin war eine feine alte Dame mit grauem Haar, die sofort Respekt einflöÃte. Jordan wäre jede Wette eingegangen, dass sie einen Studienabschluss hatte, mindestens zwei westliche Fremdsprachen beherrschte und die Abflugzeiten in alle europäischen Hauptstädte im Kopf hatte. Auf ihrem Schreibtisch prangte der leistungsstärkste Computer, der damals zu haben war, eine Seltenheit zu dieser Zeit in Bulgarien. Sie empfing die Neuankömmlinge mit kühler Höflichkeit und bat sie, sich doch einen Augenblick zu gedulden. Es war fünf Minuten vor zwei; ihr Termin war für vierzehn Uhr anberaumt. Und um punkt vierzehn Uhr wurden sie auch von der Dame in Toschevs Büro
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