Seelenasche
gebeten.
Eduard Toschev war ein lang aufgeschossener Mann mit seltsam geschorenem Haar, wachsamen Augen und dem Lächeln eines Illusionisten. Von ihm hieà es, er sei ein alter Geheimdienstler, der noch immer gute Beziehungen zu seiner alten Dienststelle, aber auch zu den russischen Erdöl- und Erdgasmagnaten unterhalte. Seinen Reichtum, der auf mehr als einhundert Millionen US-Dollar geschätzt wurde, hatte er in unerklärlich kurzer Zeit angehäuft. Im Unterschied zu seiner Sekretärin wirkte er nicht unnahbar, sondern zugänglich, geradezu herzlich, wenn auch leicht zerstreut. Die Tür öffnete sich lautlos, und eine junge Frau mit hochgeschlossenem Jabotkragen trat ein und brachte Kaffee und Sprudelwasser. Toschev bot Daniela eigenhändig eine leichte Slim-Zigarette an, dann hielt er Jordan eine Zigarrenkiste hin, aus der er sich anschlieÃend auch selbst bediente. Es waren kubanische Romeoâ&âJulieta.
»Nun, dann heiÃe ich Sie erst einmal willkommen in den heiligen Hallen von Eco Plus«, begann Toschev mit weicher, angenehmer Stimme. »Ich habe Respekt vor dem Medium Fernsehen, Herr Weltschev. Dessen Rolle und Einfluss als fünfte Macht im Staate wächst ja beständig, und speziell Sie verehre ich ganz besonders! Was sage ich, meine Frau ist ein groÃer Fan von Ihnen, schon seit den Zeiten des Runden Tischs .«
Er starrte Daniela mit seinem hypnotischen Blick an, blies lässig den Rauch seiner Zigarre aus, wie um zu dokumentieren, dass er wirklich meinte, was er sagte. Während Jordan sprach, hielt er seinen Blick unverwandt auf ein Gemälde von Slatju Bojadschiev geheftet, einem Meisterwerk aus seiner zweiten, expressiven Periode, in der er mit der linken Hand malte. Jordans Worte schienen in den mit Strukturputz aufgerauhten Wänden zu versickern wie Wasser in einer lockeren Tuffschicht. Das geräumige Büro des Magnaten war mit echten Büromöbeln ausgestattet, einem Konferenztisch und ebender Sitzecke mit den modernen, lederbezogenen Sesseln, in denen sie sich niedergelassen hatten. Das Licht drang durch die Mattglasfenster, als trüge der ganze Raum eine getönte Brille. Die Klimaanlage verteilte leise surrend den Tabaksqualm. Kurz, Jordan spürte, dass Toschev ihm gar nicht mehr zuhörte, und so eilte er, zum Schluss zu kommen.
»Ich verstehe ja gut, dass Sie ein sponsorship benötigen«, hakte Toschev nach, »aber was gewinnt Eco Plus dabei?«
»Sie bekommen Reklame«, erwiderte Jordan, überrascht über die Nachfrage.
»Herr Weltschev, es gibt in Bulgarien ohnehin schon nicht genügend Tankstellen, wozu brauche ich da noch Reklame?«
Diese Frage hatte sich auch Jordan gestellt; aber er hatte keine Antwort darauf gefunden. Er sammelte langsam die Blätter vor sich ein, steckte sie in sein Diplomatenköfferchen, drückte die Zigarre im Aschenbecher aus und war bereit, fürs Zuhören zu danken und zu gehen, als sich Dida aus heiterem Himmel meldete, wie um ihn in seiner Ratlosigkeit noch mehr zu kränken.
»Ja, wenn manâs recht bedenkt, Herr Toschev«, hob sie im Ton einer heldenhaften Pionierin an, »was die Tankstellen angeht, da haben Sie schon recht. Aber wir könnten ja für Ihre Küchentechnik-Sparte werben.« Sie schniefte einmal wie Pippi Langstrumpf, ihre Augen lachten schalkhaft. »Einen Clip drehen!«
»Wie, was denn für einen Clip?« Im starren Blick des Firmenbosses glimmte so etwas wie lebhaftes Interesse auf.
»Stellen Sie sich vor«, breitete Daniela vor Begeisterung die Arme aus, »erste Kameraeinstellung: Eine Kühltruhe, na, von Ihren da, geht auf, drinnen lauter eingefrorene Sachen ⦠Und plötzlich hört man die Stimme des Sprechers sagen: âºSchockgefrostet mit Indesit kommen die Nachrichten bei uns an.â¹ Dann zeigen wir den Einspieler von Sieben Tage , und da steht ein Elektroherd, auf dem ein Schnellkochtopf zischt. Und der Sprecher sagt: âºUnd so vitaminschonend erhitzt auf einem Indesit-Herd servieren wir sie Ihnen!â¹Â«
Diese naiv zusammengeschusterte kleine Szene kam Jordan so blöde und abgeschmackt vor, dass er vor lauter Scham zunächst errötete; dann kroch die Wut in ihm hoch. Er war schon drauf und dran, etwas Ironisches zur Entschuldigung hinzuwerfen, da sah er, wie Toschevs Gesicht sich langsam aufhellte und ein Lächeln dezent in seinen Augenwinkeln aufblitzte. Dann wiegte er den
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