Seelenasche

Zuflucht suchen.«
    Â»Vielleicht kriegen, ’tschuldigung, bekommen wir hier ja sogar ein Glas Glühwein?«
    Â»Das ist überhaupt eine Idee!«
    In der klammen Kälte lag Schneegeruch. Die Kinder weiter unten hatten sich schon eine Rutschbahn gemacht, die eisig spiegelte. Das Hotel war so klein, dass Foyer, Rezeption und Bar ein und derselbe Raum waren. Die Temperatur drinnen betrug nicht mehr als zehn Grad Celsius. Hinter der Theke stand ein stämmiger Schope in dickem Pullover und Trainingshose.
    Â»Haben Sie Glühwein da«, fragte Jordan mit unnatürlich lauter Stimme.
    Â» Haben täten wir gern vieles, aber Glühwein haben wir ganz und gar nicht«, sagte der Mann gedehnt. Warum klang er dann so zufrieden mit sich, wenn dem so war? »Ich könnte euch aber ’nen schönen heißen Rakija mit Honig machen.«
    Na, wer sagte es denn! Jordan bestellte. Sie setzten sich an den Tisch am Fenster. Dida hörte nicht auf zu bibbern, obwohl sie sich wirklich tief in ihren Mantel eingemümmelt hatte. Ihr ganzer Körper zitterte, als hätte sie Schüttelfrost. Jordan wurde verlegen, schaute nach draußen, schaute Dida an, schaute nach draußen, und wieder Dida an … Vor dem benachbarten Hotel hielten zwei kastenförmige Mercedes-Geländefahrzeuge in einer Schneewehe, deren Nummernschilder identisch und deren Zahlen Schnapszahlen waren, ein sicheres Zeichen, dass sie zum Wagenpark eines Unterweltbosses gehörten. Zehn starke Jungs zwängten sich heraus. Zusammen mit den schwarzen, Katafalken gleichenden Fahrzeugen glichen sie in ihren schwarzen Anzügen einem Beerdigungsunternehmen für gewichtige Todesfälle. Ein Durcheinander entstand, vermutlich, um den im Schneetreiben kaum erkennbaren Mann zu schützen, der jetzt ausstieg und wohl der Pate der organisierten Jungs war. Sofort eilte ein Frauchen mit einem Schild unterm Arm aus dem Hotel und hing es an das Hoftor. Bevor sie dieses schloss, konnte Jordan noch eben auf Bulgarisch und Englisch lesen: GESCHLOSSEN.
    Endlich brachte der Schope ihnen den heißen Schnaps. Er war stark, roch in der Tat nach Honig, nach Trauben und nach seligem Vergessen und wärmte herrlich von innen, nur – Dida hörte nicht auf zu zittern.
    Â»Nächste Woche müssen wir schon wieder zu Eduard Toschev«, sagte er aufs Geratewohl.
    Â»Bitte?«, fragte Dida zurück, die sich fast an dem dampfend heißen Konzentrat verschluckte, und dann, sie hatte Jordan wohl gar nicht verstanden: »Nächste Woche müssen wir wegen der neuen Sponsoring-Vereinbarung zu Eduard Toschev.«
    Â»Wissen Sie was«, wandte sich Jordan, wieder über Gebühr laut, an den Schopen hinter dem Tresen, »bringen Sie uns das ganze Töpfchen mit dem Schnaps. Und ein Zimmer, wenn sie eins frei haben, nehmen wir gleich dazu.«
    Der Schope kratzte sich hinter dem Kopf, da, wo es ihn am wenigsten juckte, und sagte: »Sieh mal, guter Freund, ich geb keine Zimmer für so ein, zwei Stündchen Ringkampf aufm Laken. Ihr könnt im Stübchen turnen, so viel ihr wollt, aber mieten müsst ihr das dann wenigstens für eine Übernachtung.«
    Jordan legte den Zimmerpreis kommentarlos auf den Bartresen, nahm das Kupferkännchen mit dem dampfenden Schnaps und ging mit einem undefinierbaren Schmerz in der Brust voran, die Treppe hinauf. Die »Stube« erwies sich als geräumiges, aber eiskaltes Zimmer mit Heizgerät, morschem Kleiderschrank, Spiegel mit buntem Glasschmuck, einem riesigen Doppelbett und einem Beistellbett in der gegenüberliegenden Ecke. An der Wand aufgehängt ein prächtiger, ausgestopfter Fasan. Die Tür zum Bad stand offen, aber das Wasser in dem alten Hundert-Liter-Boiler war nicht vorgeheizt. Inzwischen war der Schmerz in seinen Schläfen schneidend, fast unerträglich geworden. Als er sich umdrehte, lag Dida schon entkleidet im Bett und starrte, bis unters Kinn zugedeckt, an die Zimmerdecke. Sie zitterte erbärmlich. Als er zu ihr schlüpfte, schmiegte sie sich an ihn, und es war schwer zu sagen, ob es die Kälte war, die Erschöfpung nach der schweren Sendung oder Aufregung vor dem Moment … Sie schnappte nach Luft, ihre Lippen und Hände glühten, die Warzen ihrer kleinen Brüste waren steinhart, und unter ihrem Bauch flackerte das langsame Feuer rötlichen Schamhaars. Fast durchsichtig vor Magerkeit, schien ihr Körper zu schimmern in der