Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
Vom Netzwerk:
des Hauptdarstellers verlegt werden muss.« Und zu den ungläubig starrenden Studenten gewandt: »Na los, ihr Stars von morgen, Kopf hoch und den Sekt geköpft, wir feiern die Theatereröffnung auch so.«
    Dann setzte er sich neben Dessislava und zog sie tröstend an sich. Ihre Tränen liefen ihm über den Hals. Von seinem herben, aber sauberen Geruch nach Mann, nach Männerparfüm fühlte sie sich geborgen wie unter einer Decke, wie an einem warmen Kaminfeuer, an das man aus der Kälte trat.
    Â»Kann einer das verstehen, kann einer diesen … Hamlet verstehen?«
    Â»Ich hätte mir das denken müssen, spätestens nach diesen ironischen Äußerungen nach der Generalprobe hätte ich mir das denken müssen«, raunte Christo.
12
    Seine Nerven lagen blank, sein Mund war trocken und das rechte Augenlid flatterte, wie immer, wenn ihn die Verzweilflung packte. Durch den Spalt der Tür aus Hartpappe, die sich – längst aufgequollen – nicht mehr richtig schließen ließ, erblickte er das delikate Profil ihres langgestreckten, ihres ätherischen Leibes, die kleinen strammen Tittchen, die schmalen Hüften, als habe er eine Vision: die Lösung des Rätsels um seinen ständig wiederkehrenden Schmerz. »Der Schmerz ist nötig, Kindchen, er warnt und bewahrt uns vor Schlimmerem«, war Jonka nicht müde geworden, auch ihm zu wiederholen, »und er heilt uns, weil sein Feuer uns reinigt. Das Glück macht uns nur faul und eitel, das Leiden aber geduldig und weise!«
    Ihre Silhouette kam ihm in diesem Moment so unglaublich nah und vertraut vor, dass er – wäre nicht das rötliche Haar gewesen, das ihr lockig auf die Schultern fiel – hätte glauben mögen, dass es Neda war, die da im Gegenlicht vor dem Fenster stand, Neda, die in sein Leben getreten war, kühl und alles durchdringend wie eine Äthernarkose, um dann unversehens, nach traumschwerem, unruhigem Schlaf, beim Aufwachen zu verschwinden, grausam, unerbittlich und für immer. Jordan zwinkerte erschrocken, um sicherzugehen, dass er nicht auch jetzt träumte, und spitzte die Ohren. Die Stimme, die da sprach, gehörte Sima, seiner Regisseurin.
    Â»Schau mal, Kleine, das Wichtigste ist, dass du dich frei fühlst, und das geht nur, wenn du dich als etwas Eigenes, anderes als die anderen fühlst. Nicht begeisternd, toll oder unvergleichlich auf dem Bildschirm, sondern schlicht eigenständig und anders. Und noch etwas …« Sie machte eine Bedeutungspause, als habe sie ihr einen Knopf angenäht und müsse nun eben mit den Zähnen den Faden durchbeißen. »Noch etwas: Sei hartnäckig bis zur Arroganz! Du kannst den Chef bedenkenlos unterbrechen, solange er sein Liedchen souverän auswendig singt; aber ich verbiete dir, hörst du, ich verbiete dir, ihm in die Parade zu fahren, wenn er sich verhaspelt, denn dann geht das Feuerwerk los, dann kommen die großen Momente!«
    Jordan setzte ein Lächeln auf, um seine Verlegenheit zu kaschieren, und stieß die Tür auf. Das Winterlicht im Fenster blendete ihn. Dida hatte dasselbe strenge, schwarze Kostüm angezogen, mit dem sie zu dem Sponsorengespräch mit Eduard Toschev erschienen war; diesmal aber trug sie eine stechend rosafarbene Fliege darüber, ein exotisches, spielerisch männliches Unterscheidungsmerkmal, das ihr eine pfiffige Eleganz verlieh.
    Â»So, das Mädel ist startklar, Chef.«
    Â»Und sieht tipptopp aus«, lachte er forciert.
    Â»Und pass ein bisschen auf: Das ist ihre erste Sendung, und gleich live!« Sima redete mit Jordan, als sei er ihr Sohn, dem sie zum wiederholten Male einschärfen musste, in der Schule nicht immer die Mädchen zu hauen, die ihm gefielen. Auf dem Weg zum Studio, in dem Sieben Tage aufgezeichnet wurde, steckte er sich nervös eine Zigarette an, sog gierig daran, und reichte Dida den Glimmstengel weiter. Um sie von ihrer Unsicherheit abzulenken, fragte er:
    Â»Und, wie läuft dein Schauspielkurs?«
    Â»Wo… woher wissen Sie denn das?«
    Â»Hat mir ein Vögelchen ins Ohr gezwitschert. Jetzt sitzt die große Dida sicher mit einem frisch aufgebrühten Kaffee vor dem Fernseher, hm?«
    Â»Oh, aber nicht wegen mir, Herr Weltschev, sondern – Sie wissen ja: Ihretwegen!«
    Im Studio roch es wie immer beruhigend nach Staub und verbrannter Luft. Die Studiogäste, allesamt ausgefuchste und schrecklich

Weitere Kostenlose Bücher