Seelenasche
intelligente junge Burschen mit akademischen Abschlüssen in Oxford oder Cambridge, hatten sich hinter dem ovalen Halbrund aufgebaut. Mit ihren Fachkenntnissen in freier Marktwirtschaft hatten sie sich bei Banken oder einer der neuen Parteien unentbehrlich gemacht und verdienten einen Haufen Geld. Sie sprachen frei, ja, regelrecht dreist zu den einfachen Bulgaren, die am heimischen Fernsehgerät saÃen, um endlich zu begreifen, warum sie immer ärmer wurden. Die Yuppies lächelten falsch, mit dem Selbstbewusstsein derer, die wussten, wie der Hase läuft, und der Süffisanz der Erfolgreichen.
Dida schlug sich hervorragend. Zurückhaltend, aber scharf, mit provokativen Fragen und dezent angedeuteter Verachtung für das Zahnpastalächeln ihrer Studiogäste lieà sie sich nicht im Geringsten von ihnen einschüchtern. Sie hatte sich zudem ausgezeichnet über den ansteigenden Dollarkurs informiert, und so konnte sie das verbale Konfetti, das die Möchtegern-Wirtschaftsdoktoren als Ratschläge und Einschätzungen in den Ãther schickten, als »verspätet«, »zu lasch« oder »undurchführbar« kritisieren. »In der Tat«, fasste sie in ihrer abschlieÃenden Stellungnahme zusammen, »um aus dem Sumpf herauszukommen, sind schleunige finanzpolitische MaÃnahmen vonnöten, doch der Sumpf ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein moralischer, und ohne eine Geschäftsethik, die Vertrauen in den freien Markt überhaupt erst ermöglicht, sind auch sie zum Scheitern verurteilt.« Als die Sendung vorbei war, seufzte Jordan so unverhüllt auf, dass er diesen spontanen Ausdruck seiner Erleichterung selbst auf dem gegenüberliegenden Bildschirm am Boden hören und sehen konnte. Dida legte ihr Kinn auf die verschränkten Handflächen und starrte in die Ecke. Völlig ausgepumpt fragte sie:
»Wie ist es gelaufen?«
»GroÃartig«, erwiderte Sima aus dem Aufnahmeraum. »Man möchte es gar nicht glauben: so hübsch und so zierlich, und dabei so bissig! Vor allem aber: Du hast wirklich eine eigene Marke gesetzt.«
»Hab ein bisschen wenig Hintergrund gebracht, ich meine so von wegen New Yorker Börsenfonds, Dow Jones und NasDax â¦Â«
»Und gerade das hat mir so gefallen, dass du uns das erspart hast«, grinste Jordan. »Dafür lade ich dich jetzt â¦Â«
»Wie? Wohin wollen Sie mich denn einladen?«
»Das weià ich auch noch nicht. Aber verdient hast du es dir.«
13
Der Schneeregen tauchte die Welt vor ihrer Windschutzscheibe in ein märchenhaftes Gewebe aus Flocken, Schlieren und einem Nebel, der so alles verschlingend war wie die Abgründe der menschlichen Seele. Ãber das Feld stolzierten Raben und pickten mit ihren langen, kräftigen Schnäbeln in der umgepflügten, noch nicht gedüngten Brache. Jordan fuhr langsam und vorsichtig. Er hatte zwar Winterreifen aufgezogen, aber gebrauchte. In seinem alten Lada roch es nach Benzin und kaltem Zigarettenrauch; er vermeinte aber auch, den typischen »Hausgeruch« Nedas zu erschnuppern. Vermutlich bildete er sich das nur ein, aber wenn, dann war das eine ziemlich hartnäckige Einbildung, die ihn anwehte wie ein Lufthauch, grundlos, unerklärlich und besorgniserregend. Dida hatte sich in ihren Mantel eingemümmelt und schaute hypnotisiert nach vorn. Eine ungehorsame Kupferlocke hatte sich unter dem Schal um ihren Kopf hervorgestohlen, als wolle sie die Lage für die folgende Frage auskundschaften:
»Wo fahren wir hin?«
»Ich weià es selbst noch nicht«, antwortete Jordan. Er hatte gerade die UmgehungsstraÃe überquert, wobei seine alte Rostlaube fast abgesoffen wäre, da heulte der Motor auf und es ging den Hang aufwärts nach Simeonowo. »Wüsste es aber auch gern ⦠ich meine, wohin unsere Reise geht!«
Zu beiden Seiten der AusfallstraÃe tauchten Pensionen und Familienhotels auf, deren Namen auf die Waldfrüchte des Gebirges hinwiesen: Zur Walderdbeere , Zur Blaubeere , Zur Himbeere und Zur Preiselbeere . Neben einer der Einfahrten lag ein Schlackehaufen, und dieses Denkmal des Ausgebrannten nahm Jordan die Entscheidung gleichsam ab. Er parkte vor der gemauerten Einfassung.
»Was machen wir hier?«
»Ich weià es selbst noch nicht«, antwortete Jordan.
»Ein bisschen aufwärmen wäre wirklich keine schlechte Idee«, meinte Dida.
»Stimmt, und ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher