Seelenasche

einmal gewesen. Die Wände des riesigen Raumes waren mit dunkel gebeizter Eiche verkleidet; davor hingen kostbare Gemälde. In Vitrinen war ein Teil seiner Antikenkollektion zu sehen: thrakischer Silberschmuck, griechische Vasen und Trinkgefäße, Leuchter und Bronzestatuetten römischer Gottheiten und berühmter Feldherren. Der Teppich schluckte jedes Geräusch. Wenige Tischlampen verbreiteten ein angenehmes Dämmerlicht. Toschev lehnte hemdsärmelig an seinem Schreibtisch. Sein Kopf schimmerte matt, sein Gesicht verriet Überdruss. In der einen Hand hielt er ein Glas Whisky, mit der anderen griff er nach einem zweiten, ebensolchen Glas und reichte es Christo, als hätte er ihn schon erwartet.
    Â»Gut, dass ich Sie zu Hause antreffe«, sagte Christo atemlos, »Sie haben ja keine Ahnung, was mir eben passiert ist.«
    Â»Tatsächlich?«
    Â»Mir zittern noch jetzt die Hände.«
    Â»Ach«, erwiderte Toschev mit ausdrucksloser Stimme und trank einen sparsamen Schluck.
    Â»Ich bin so schnell gefahren, ich hätte fast einen Unfall gebaut.«
    Â»Und trotzdem kommen Sie reichlich spät.«
    Â»Ich hatte zu tun. Wie soll ich sagen? Ich musste da so eine Kleinigkeit für mich selbst aufschreiben.«
    Â»Eine Kleinigkeit?! Und ich dachte schon, Sie beenden Ihre Autobiografie. Memoiren eines jungen und doch so erfolgreichen Lebens.«
    Â»Machen Sie sich nur lustig! Dabei geschehen lauter merkwürdige Dinge.«
    Â»Die Welt ist voller Wunder.«
    Â»Mein Hund ist vergiftet worden, meine Wachleute verschwunden, mein Personal … und dann diese … diese Stille im Haus.«
    Â»Sie wollen sagen: diese Grabesstille ?«
    Â»Ich bin niemandem etwas schuldig, halte meine Versprechen, begleiche meine Rechnungen immer rechtzeitig … Ich bin einfach ratlos, wer und aus welchem Grund mir derart an den Karren fahren will. Haben Sie vielleicht eine Erklärung?«
    Toschev fuhr sich mit dieser langsamen Handbewegung über den Schädel und sagte kühl:
    Â»Schon mal an General Grigorov gedacht?«
    Â»Den General? Aber Sie hatten mir doch zugeraten …«
    Â»Ja, ich habe Sie ununterbrochen ermuntert und hinter Ihnen gestanden.«
    Â»â€¦ und versprochen, mir zu helfen«, entfuhr es Christo. »Dessislava ist schwanger, wir erwarten ein Kind, verstehen Sie?«
    Â»Als wir uns begegneten, waren Sie vermögend«, sagte Toschev so langsam und betont, als spräche er zu jemandem, der schwer von Begriff war. »Ich aber habe Ihnen geholfen, schwerreich zu werden und sich als Mensch zu entwickeln, Ihre Scheuklappen abzulegen.«
    Â»Ich war Ihnen ja für all das auch dankbar.«
    Â»Und wie hat sich diese Dankbarkeit ausgedrückt, wenn ich fragen darf?«
    Â»Indem ich Ihnen meinerseits günstige Geschäfte vorschlug, Ihnen den Rücken frei hielt, treu zu Ihnen stand!«
    Â»Treu, sagen Sie?« Toschev schwieg einen Moment. »Hinterhältig ist wohl das richtigere Wort! Also reichlich dumm und verantwortungslos gegenüber sich selbst und denen, die Sie lieben. Sie haben mich hintergangen, mich betrogen.«
    Toschevs Stimme war gefährlich laut geworden.
    Â»Das würde ich doch nie wagen. Ich schwöre …«
    Â»Schwören Sie lieber nicht, Herr Weltschev. Sie haben mich entsetzlich verletzt, in gewisser Weise mein Leben zugrunde gerichtet.«
    Â»Aber nicht im Geringsten! Das kann ich beschwören beim Leben meines künftigen Kindes, bei …«
    Toschev griff nach Christos leerem Glas, riss es ihm aus der Hand und schleuderte es neben den Teppich aufs Parkett. Es zersprang in tausend Stücke.
    Â»Dann muss ich Ihrem Gedächtnis wohl etwas aufhelfen. Kennen Sie zufällig das Hotel Rhodopen? Genauer gesagt: Waren Sie mal in Zimmer 505, fünfte Etage? Da steht ein Doppelbett drin. Und in dem haben Sie sich nicht allein herumgewälzt!«
    Auf einmal wurde Christo klar, dass dieser Mann ein Psychopath war. Er spürte, wie die scharfe, kompakte Angst sich wieder chaotisch zu jener Panik verwirbelte, die ihn zum fluchtartigen Verlassen seines Hauses getrieben hatte. Toschev strich sich schon wieder über den Kopf, diesmal so, als wolle er prüfen, ob noch alles unter Kontrolle war, dann griff er nach dem Tischglöckchen und läutete kurz und entschieden.
    Â»Alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg, Herr Weltschev. Ich wünsche Ihnen vor allem Gesundheit – und ein