Seelenbrand (German Edition)
Er gab Pierre eilig ein Zeichen, ihm in seinem Kielwasser zu folgen, bevor die Menschenmenge hinter ihm wieder zurückschwappte und den Durchgang erneut verstopfte. Nur mit rücksichtsloser Drängelei hatten sie es schließlich bis in die erste Reihe geschafft, bis an den Gartenzaun der alten Frau, gerade als diese Pater Zacharias und seinem Gefolge bereitwillig das kleine Gartentor öffnete. Sie fiel demütig auf ihre Knie und der Dominikanerpater, der wie das jüngste Gericht vor ihr stand, segnete die willige Seele mit seinen Händen. Dann trat er würdevoll – mit den vier Meßdienern und diesem Seelenwilderer im Schlepp – vor die Schwelle der Haustür. Rodrigues blieb am Gartentor stehen und verschloß es von innen. Mit funkelnden Augen musterte er die Umstehenden. Der bissige Köter sollte seinem Herrn während der kurzen Zeremonie ganz offensichtlich den Rücken freihalten.
Pierre spitzte seine Ohren, als Zacharias die Stange mit dem oben befestigten Kreuz in die Luft hob und zu sprechen begann. Das Gelache und Geschiebe von hinten ... »He!« wütend fuhr erherum. »Hör auf zu drücken, sonst lernst du mich kennen!« ... machte es ihm unmöglich alles zu verstehen.
»... Im Namen des Allmächtigen ... befehle ich dir, Satan, und deinen Dämonen ... abzulassen ...«
Es hatte keinen Zweck! Die amüsierte Meute hinter ihm machte es unmöglich Weiteres zu verstehen. Inzwischen hatte Zacharias seinen Kopf gesenkt und sprach vermutlich noch ein Gebet, denn kurz danach gab er seinem neuen Knecht – diesem bleichen Pfarrer, seinem unwürdigen Amtskollegen – ein Zeichen, mit dem Eimer, den dieser in der Hand hielt, näherzukommen. Während die Meßdiener die Umgebung mit Wolken aus Weihrauch einnebelten, besprengte der Pater die Schwelle des Hauses mit reichlich Weihwasser und zeichnete mit den Händen ein Kreuz in die Luft, senkte dann den Kopf, verharrte einen Augenblick und gab schließlich das Zeichen zum Rückzug.
»Kommen Sie, Abbé!« raunte der Dicke Pierre ins Ohr. »Wenn sie jetzt zu Maurice gehen«, er deutete auf das benachbarte Haus, »dann wird’s interessant!«
Noch bevor Pierre nach Einzelheiten fragen konnte, schob sich sein dicker Begleiter schon wieder wie ein Eisbrecher durch die Menschenmenge. »Hallo, Auguste! Auch hier? Ja, ja, das passiert nicht alle Tage!« Er klopfte dem Alten auf die Schulter und drängte sich weiter durch die Menge. Als Pierre sich ebenfalls bis in die erste Zuschauerreihe vorgeboxt hatte, hatte sich zwischen dem Besitzer des Hauses, der breitbeinig und mit gekreuzten Armen in seinem Vorgarten stand, und Rodrigues bereits ein Wortgefecht entsponnen.
»Wenn du durch dieses Tor kommst, Pfaffe, gibt’s was aufs Maul!«
Der dicke Gendarm schubste Pierre belustigt von der Seite an und zog genüßlich an seiner Zigarre. »Können Sie auch alles sehen? Ha! Wir haben hier einen richtigen Logenplatz!«
»Du stinkender Bauer!« schrie Rodrigues zurück und drückte das Tor auf.
»Das ist scheinbar seine Lieblingsbeleidigung«, raunte Pierre seinem dicken Nachbarn zu.
»Mich hat er sogar ... einen Zirkuselefanten genannt!« brummte das Walroß zurück, hatte dabei aber ein seltsames Lächeln in den Mundwinkeln. »Eigentlich hätte ich ihm dafür sofort dasFell über die Ohren ziehen sollen, aber ich war im Dienst ...«
»Keinen Schritt weiter!« schrie der Gartenbesitzer Rodrigues entgegen, der sich bereits – trotz der Drohungen – auf das Grundstück gewagt hatte. Dieser Maurice machte einen Schritt nach vorn und sah plötzlich zu Pierre und seinem Nachbarn hinüber. So wie es aussah, meinte er wohl den Gendarmen. Der zog nämlich seine Augenbrauen hoch und zuckte mit den Achseln. War das gerade ein verstecktes Nicken bei diesem kleinen Giftzwerg? Er war mindestens einen Kopf kleiner als sein Gegenüber Rodrigues, hatte aber einen ausgesprochen grimmigen Blick.
»Geh uns aus dem Weg, du Teufel!« schrie Rodrigues, während Pater Zacharias und sein Gefolge in sicherer Entfernung warteten.
»Du öliger Pfaffensack!« kam es zurück.
»Junge, Junge!« Der Dicke strich sich über seine Glatze. »Ihre Pfarrkinder kennen vielleicht Wörter ... da wird ja unsereins sogar noch rot!« Lachend hielt er sich den Bauch, als dieser kleine Maurice noch mal lautstark nachlegte.
»Du versteckst dich wie ein Weib in deinem Kirchenrock ... und spuckst große Töne ... weil du genau weißt, daß sich niemand traut, dir einen überzuziehen!«
»Tja, wo er recht hat, hat er
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