Seelenbrand (German Edition)
Rücken im Grünen, und der Betrunkene torkelte lallend um seine Beine herum. Pater Zacharias stand bleich und starr mit seinem heiligen Gefolge in einiger Entfernung. Anstalten, seinem Wachhund zu helfen, machte er aber keine.
»He! Victor! Laß das!« Die Stimme des Gendarms hallte über den Boxring. Der Betrunkene hatte gerade damit begonnen, die Taschen des Paters nach Brauchbarem zu untersuchen.
»Ich glaube«, der Gendarm trat seine Zigarre aus, » jetzt sollte ich einschreiten.« ... Und schwups war er auch schon in Richtung Radieschen verschwunden. Lachend gratulierte er diesem kleinen Giftzwerg Maurice, den er ... es ist wirklich ein Bild für die Götter, wie sie sich jetzt so gegenüberstehen ... den er fast in seine Hosentasche hätte stecken können. »He! Victor! Laß die Leichenfledderei!« Der Betrunkene hatte seine Hände schonwieder in den Taschen von Rodrigues und ließ sich erst verscheuchen, als der Gendarm näher kam. »Schlaf erst mal deinen Rausch aus!« Der Dicke blieb stehen und sah sich um, während die wild johlende Menge die kleine Hornisse hochleben ließ und immer wieder in die Luft warf.
»Ach, hier ist sie ja!« Murmelnd ging der Gendarm zur Hausecke hinüber und bückte sich. Mit aller Kraft hob er die bis zum Rand gefüllte Regentonne hoch und schaffte sie unter Keuchen und mit hochrotem Kopf zu den Radieschen hinüber, in denen Rodrigues immer noch herumlag. Die Menge ahnte wohl schon, was jetzt folgte und gaffte wieder in die Arena. Der Gendarm hatte mittlerweile das Wasserfaß neben dem Patienten abgestellt und schritt würdevoll zur Tat. Er hob an ... höher ... höher ... die Menge glotzte sich die Augen aus dem Kopf ... als plötzlich ... Das eiskalte Wasser ergoß sich in wilder Flut über den bewußtlosen Dominikaner, der sofort erwachte und mit wildem Gepruste zeigte, daß er offensichtlich wieder unter den Lebenden war. Abermals erhob sich ein wildes Gejohle und begeistertes Geklatsche. Der Gendarm machte einen vornehmen Knicks und schloß sich dann dem ausgelassenen Gelache seiner Zuschauer an.
Rodrigues schnappte immer noch nach Luft und schüttelte sich das Wasser aus seinen langen Haaren. Nur langsam konnte er sich aufsetzen. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet.
»Haben wir was verpaßt?« Pierre drehte sich zur Seite ... es war Marie. »Er hat sich doch nicht etwa mit Maurice angelegt, oder?« Sie lachte hell auf, als sie Rodrigues auf dem Boden sitzen sah. Die Menschentraube hatte sich samt ihrer kleinen Hornisse in Feierlaune bereits in die Schenke nebenan verabschiedet. Bruder Severin, der hinter Marie stand, konnte sich zwar nicht so hemmungslos erheitern wie der Rest, aber er machte einen überraschend ruhigen und gelösten Eindruck.
»Wie viele Löffel Arsen hast du ihm während meiner Abwesenheit gegeben?« flüsterte Pierre ihr zu.
»Überhaupt nichts!« Entrüstet deutete sie auf seine Hosentasche. »Du hast das Zeug doch mitgenommen!« Sie begann zu flüstern. »Aber ich glaube, daß wir ihm eine zentnerschwere Last von seiner Seele genommen haben. Er mußte diese Sache mit der ... Erdenhölle einfach loswerden, auch wenn ich es immer noch nicht glauben kann, daß ...«
»Wie kannst du es wagen?« rief eine Männerstimme herrisch von irgendwo. Erschrocken wandten sie sich um. »Du trägst immer noch das Kleid des Herrn? Du ketzerischer Quacksalber!« Pater Zacharias, der offenbar neuen Mut gefaßt hatte – jetzt wo die Meute abgezogen war –, baute sich mit seinem Kreuz vor Severin auf. »Hab’ ich dir nicht schon vor vielen Jahren das Dokument überbracht ... im Namen Seiner Exzellenz des Bischofs?« fauchte er.
Pierre wollte gerade eingreifen, um den armen Kräuterbruder vor dem zähnefletschenden Dominikaner in Schutz zu nehmen, der vor lauter Zorn schon am ganzen Körper zitterte.
»Mein lieber Zacharias ...«, erwiderte Severin so ruhig, wie er ihn seit seiner Ankunft hier noch nie gesehen hatte, »... es gab eine Zeit ... da haben wir ... gemeinsam ... nach der Wahrheit gesucht! Weißt du noch?«
»Genug davon!« schrie sein Gegenüber und wischte mit einer herrischen Handbewegung alle Erinnerungen beiseite. »Ich danke dem Allmächtigen ...«, er bekreuzigte sich inniglich und umfaßte das Kreuz, das an einer Kette um seinen Hals hing, »... daß er mich auf den rechten Weg geführt hat!«
»Weißt du noch«, Severin blieb immer noch liebenswert, »wie wir nach einer Kräutertinktur für ... deine Haare gesucht haben?«
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