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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Wie ihn das immer wieder ärgerte! Die Leute sahen ihn mit großen Kuhaugen an, hörten aber in der Regel gar nicht zu, was er sagte. Und das Ergebnis? Lug und Trug in seiner Gemeinde, wohin er auch blickte! Er schnaufte. Na ja, aber das liegt ja nun hinter mir .
    Vielleicht war dieser Bertrand de Blanchefort – vor dessen Toren er hier stand – wie einer dieser mächtigen Ritter auf dem Ölschinken des Bischofs. Im goldenen Kettenhemd, mit dem er wie ein Heiliger über dem Schlachtengetümmel schwebte, während er – seine blauen Augen zum Himmel gerichtet – das Schwert im Namen des Allmächtigen niedersausen ließ. Tja, wahrscheinlich war alles sowieso nur eine Erfindung der Maler, die ihr Brot damals mit solch heroischem Kram verdienen mußten ...
    Egal in welche Richtung er die Karte auch drehte, seine neue Pfarrei lag immer in der Nähe einer alten Festung oder eines Ordenshauses dieser Tempelritter. Die Ruinen formten, wenn er es genauer betrachtete ... Hm, seltsam! Das ist doch keine Einbildung von mir?... einen imaginären Ring um dieses kleine Dörfchen,in das er verbannt worden war. Hatte sich der alte Abbé deshalb – eben wegen dieser faszinierenden Lage seiner Pfarrei – so tief in die Geschichte des Templerordens verbissen? Vielleicht war ja in deren Historie die Lösung des Rätsels zu finden, das er der Nachwelt hinterlassen hatte. Er sah zur Ruine hinüber. Aber was hatte es dann mit dieser Sammlung der Abendmahlsszenen im Turmverlies auf sich oder mit seiner Besessenheit, die Figuren und den Kreuzweg in der Kirche unbedingt nach eigenen Vorstellungen umzugestalten? Pierre seufzte. Auch wenn er sich schon auf Jahre an dieses öde Bergdorf gekettet sah, so tröstete ihn doch wenigstens der Gedanke, daß er von nun an in einer Gegend gefangen sein sollte, deren faszinierende Vergangenheit ihn schon jetzt in ihren Bann gezogen hatte.
    Eigentlich befand er sich ja auf dem Weg ins Nachbardorf, um sich diesen verrückten Totengräber anzusehen. Und so wie die Dinge im Augenblick lagen, würde er noch genug Zeit haben, sich jede Ruine in der Umgebung ausgiebig anzugucken und dabei seinen Träumen von den weißen Rittern nachzuhängen. Er warf noch schnell einen Blick auf die Karte, um sich den weiteren Verlauf des Wegs anzusehen, als ihm auffiel, daß der alte Abbé eine Stelle an der staubigen Straße mit einem kleinen Kreuz markiert hatte. Im Unterschied zu den anderen Zeichen, die alle mit einem krakeligen Kommentar oder Hinweis versehen waren, war an dieser Stelle nichts hinzugefügt worden. Er zuckte mit seinen Achseln und ließ das Papier in einer der vielen unsichtbaren Taschen seiner Soutane verschwinden. Da dieser markierte Ort offensichtlich hier irgendwo rechts des Weges liegen mußte, würde er ja unweigerlich an ihm vorbeikommen.
    Die Straße machte einen scharfen Knick – um den sich vorhin die Schafherde gezwängt hatte – und begann dann sanft in Richtung eines kleinen Dorfes abzufallen, augenscheinlich dem Ziel seiner Wanderung. Mit seinen Gedanken war er immer noch bei diesem riesigen Wandgemälde des Bischof und den weißen Rittern. Zügig folgte er den Biegungen des Schotterwegs, und obwohl er genau auf die Umgebung achtete, gab es dort nichts, das – auf den ersten Blick – wert gewesen wäre, auf der Karte des alten Abbé mit einem Kreuz gekennzeichnet zu werden. Eigentlich hatte er sich schon damit abgefunden, dieses Rätsel vielleicht erst auf dem Rückweg zu lösen und überlegte währenddessen,wie er denn überhaupt mit diesem irren Brandstifter verfahren sollte, da sah er von weitem einen Mann, der ihm auf dem Weg entgegenkam. Bei näherem Hinsehen erkannte er in ihm den Schäfer, der vorhin seine blökende Herde um die Ecke getrieben und ihn dabei so freundlich gegrüßt hatte.
    Ich könnte ihn doch fragen, ob es hier etwas Besonderes am Wege zu sehen gibt ... Quatsch! Er dachte gar nicht erst weiter. Sollte er diesem Fremden etwa gegenübertreten und sagen, daß er der neue Pfarrer war, der momentan nichts Besseres zu tun hatte, als in den Sträuchern herumzuschnüffeln? Und daß er ja eigentlich dienstlich unterwegs war, quasi im Auftrag des Herrn, um einen armen Sünder ins Gebet zu nehmen, das sah man ihm ja leider nicht an.
    Der Fremde grüßte wieder freundlich und ging, ohne stehen zu bleiben, an ihm vorbei. Ja, er hatte seine Neugier lieber bezwungen und ließ den Mann ziehen, ohne ihn in eine Unterhaltung mit fraglichem Ausgang zu verwickeln. Und doch konnte

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