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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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er es sich nicht verkneifen, einen Blick zurück über seine Schulter zu werfen, hinter dem Schäfer her, der zu seinem großen Erstaunen unvermittelt stehengeblieben war. Er hatte seinen Blick auf etwas am Wegesrand gerichtet, sich bekreuzigt und war dann erst weitergegangen.
    Aha! Pierre vergewisserte sich, daß er allein war. Dann wollen wir doch mal sehen, was es da Interessantes gibt! An der Stelle da hinten war er doch gerade selbst vorbeigekommen, ohne daß ihm etwas aufgefallen war. Während er darauf wartete, daß der Mensch endlich wieder um die nächste Ecke verschwand, tat er so, als würde er die Landschaft bewundern. Erst als der Fremde außer Sicht war, rannte er das Stück des Weges zurück und suchte dabei neugierig das Gebüsch ab.
    Na, so was! Das ist ja gar keine Ruine! Und da stand es zwischen den Sträuchern, von Efeu umrankt und vom grünen Strauchwerk fast gänzlich verschluckt. Er blickte kurz in beide Richtungen und machte dann einen Satz ins Dickicht, um sich die Sache genauer anzusehen.
    Das ist ja ein Ding! Vor ihm stand die lebensgroße Statue einer Frau, mit zwei Knaben an ihrer Seite.
    Da! Unten an der Figurengruppe war eine Steintafel angebracht, die vom hohen Gras verdeckt wurde. Er kniete sich hinunterund drückte das zügellose Gewächs zur Seite, um einen genaueren Blick auf die Buchstaben zu werfen.
    M ARIA M ATER G...
Maria Mutter G...
    Direkt hinter dem »G« war die Platte abgeschlagen und der Rest der Inschrift zerstört worden. Aber davon einmal abgesehen, so handelte es sich hier zweifellos um eine Darstellung der Maria, der Mutter Jesu Christi. Daher wohl auch die Bekreuzigung dieses frommen Menschen, den er nebenbei betrachtet – mit derselben Andacht – lieber heute morgen in der Messe gesehen hätte. Er steckte verstohlen seinen Kopf aus dem Gebüsch, um sich zu vergewissern, daß er immer noch allein war. Fehlt ja nur, daß mich hier jemand herumkriechen sieht!
    Die Größe dieses steinernen Abbildes war über die Maßen beeindruckend. Aber ihre Haltung ist irgendwie ungewöhnlich! Der rechte Arm der Maria, gänzlich bis zum Handgelenk durch ihr wallendes Gewand verhüllt, war ausgestreckt, und ihre Hand, genauer betrachtet ihr schlanker Zeigefinger, deutete auf etwas in der Ferne. Gefolgt von ihrem Blick, der sich ebenfalls in der Weite verlor. Ihre linke Hand ruhte währenddessen sanft auf einem auffällig großen Medaillon, das sie um den Hals trug.
    Pierre trat näher heran und rupfte ein paar Blätter des Efeus ab, das seine himmlische Maria ganz offensichtlich vor fremden Blicken beschützen wollte. Und hier am Medaillon ... mit roher Gewalt mußte er einige Ranken des Klettergewächses abreißen, um überhaupt etwas erkennen zu können ... wuchert das Zeug besonders üppig. Aufgeregt wischte er mit der Hand den Sand aus dem filigran gemeißelten Anhänger, und nur langsam wurden dessen Konturen deutlicher.
    Seltsam! Er blies den letzten Sand aus den Ritzen. Zwei ineinander geschlungene Davidsterne? Was soll denn das bedeuten? Diesen sechsstrahligen Stern aus zwei gekreuzten, gleichseitigen Dreiecken kannte er natürlich als Symbol aus dem Judentum, aber diese Verknüpfung von zwei einzelnen zu einem großen Neuen, das hatte er ja noch nie gesehen.
    Tja? Und jetzt? Noch während er darüber nachdachte, was dieses Medaillon dem Betrachter mitteilen sollte – so auffällig, wiees an der Gottesmutter angebracht worden war, lag der Gedanke ja nahe, daß es etwas zu bedeuten hatte –, fiel sein Blick auf die beiden Knaben, die rechts und links neben Maria standen. Er ging in die Hocke und befreite die lockigen Bübchen aus dem Würgegriff der Efeuranken. Nach der Dicke der Pflanzentriebe zu urteilen, standen sie schon eine lange Zeit hier allein in der Landschaft. So ist es besser! Er blies ihnen vorsichtig den Sand aus den Augen und wischte das modrige Laub von ihren kleinen Körpern. Jeder der süßen Lockenköpfe trug – wie Maria – einen Anhänger um den Hals: Sieh mal an! Wieder solch ein Davidstern! Aber im Unterschied zu Maria, an deren Gewand sie sich mit ihren kleinen Händchen festklammerten, bestand ihr Amulett ... ja, bei dem anderen Kleinen hier genauso ... nur aus einem einzigen Stern. Pierre erhob sich und machte einen Schritt zurück.
    Hm? Maria mit zwei lockigen Engelchen? Neben den seltsamen Medaillons, war dieses die wohl ungewöhnlichste Mariendarstellung, die er während seines Priesterdaseins zu Gesicht bekommen hatte. Noch nie zuvor hatte

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