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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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deren Innerem dieser friedliche Garten Eden lag.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind.« Pierre lächelte, als er hinter seinem improvisierten Altar hervortrat und auf die vier Besucher seines Gottesdienstes zuging.
    Er hatte viel zu viele Stühle zusammengesucht, aber insgeheim hatte er selbst nicht damit gerechnet, daß an diesem ersten Sonntag mehr Leute kommen würden. Da sein Vorgänger alles dafür getan hatte, um die schreckhaften Pfarrkinder von der Kirche fernzuhalten – mit diesem Dämon an der Tür und der weithin sichtbaren Warnung über dem Portal –, dauerte es wahrscheinlich ewig, bis sie das Vertrauen zu ihrem Pfarrer zurückgewinnen würden.
    »Wir danken Ihnen, Abbé du Lac.« Eine Stimme weckte ihn aus seinen Gedanken. Madame Pauline streckte ihm ihre kleine, dicke Hand entgegen. »Wir haben lange auf diesen Tag gewartet«, fügte sie leise hinzu. Monsieur Alphonse, mit seinem riesigen Schnurrbart, und Olivier hatten sich mit ernster Miene und gesenktem Kopf hinter der kleinen Person zusammengedrängt und nickten. Olivier spielte nervös mit seinem speckigen Hut, den er vor sich in den Händen hielt, und blickte wie ein armer Sünder zu Boden, so daß Pierre seine sonnenverbrannte Halbglatze sehen konnte. Als er Monsieur Alphonse die Hand drückte, bemerkte er eine kleine Träne in dessen Augenwinkel. Beide nickten sich zu.
    »Ich hoffe«, sagte Pierre mit fester und entschiedener Stimme, »ich werde Sie als Pfarrer nicht enttäuschen.«
    Obwohl er darauf brannte zu erfahren, was die Anwesenden über die Kirche und diesen unsäglichen Spuk wußten, war es jetzt wohl der falsche Moment, um sie danach zu fragen. Er würde sie nur wieder verschrecken ...
    »Sie werden uns schon nicht enttäuschen!« Marie war ohne Scheu und ohne diesen bedrückenden Ernst, den die übrigen an den Tag legten, als er ihr die Hand schüttelte. Er sah sich zu den drei anderen Besuchern um, die den Garten nacheinander durch das kleine weiße Tor verließen.
    »Wissen Sie eigentlich, Marie, wo der Totengräber zur Zeit ist?« fragte er ohne Umschweife, als er sicher war, daß die anderen ihn nicht mehr hören konnten.
    »Der Gendarm aus unserem Nachbardorf hat ihn mitgenommen und eingesperrt«, kam es ebenso direkt zurück. »Sie haben ja sein Haus gesehen ... da konnte er ja nicht mehr bleiben. Er hat es doch tatsächlich eigenhändig in Brand gesteckt! Gibt’s denn so was? Dieser Irre!« Hastig riß sie ihre Hand hoch und legte sie sich vor den Mund. »Oh, verzeihen Sie bitte, ich wollte nicht ...«, stammelte sie verlegen.
    »Nein, nein, da haben Sie schon nicht ganz Unrecht ... wer seine eigenen vier Wände anzündet, kann wohl nicht mehr ganz bei Trost sein«, entgegnete Pierre schnell und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Aber es interessiert mich brennend, warum er das getan hat.«
    Marie druckste herum und war sichtlich bemüht, nicht schonwieder etwas Vorlautes von sich zu geben. »Die Leute munkeln, daß er den Teufel in seinem Haus gesehen hat. Und zwar immer in seiner Speisekammer, wenn Sie es genau wissen wollen, Abbé«, fügte sie schon wieder kesser hinzu.
    »Können Sie mir sagen«, er sah sie ernst an und zog vielsagend seine schwarzen Augenbrauen hoch, »welche guten Sachen der Totengräber in seiner Speisekammer gehabt hat, daß es den Satan höchstpersönlich aus seiner Hölle in sein Haus gezogen hat?«
    Sie überlegte. »Ich nehme mal an ... Speck, Eier, Brot ...« Erst jetzt dämmerte ihr, daß diese Frage wohl nicht ganz ernst gemeint war. »Sie wollen sich wohl über mich lustig machen, was?« entrüstete sie sich schließlich. »Ich weiß doch, was ich gehört habe. Bei Tante Pauline in der Pension wurde damals über nichts anderes mehr gesprochen.« Aufgeregt fuchtelte sie mit den Händen herum. »Ein bißchen mehr Wind und ...«, sie hielt einen Moment inne um zu überlegen, »... und die Kirche und das Pfarrhaus wären auch in Flammen aufgegangen!« Sie stand mit sorgenvollem Blick vor ihm, das imaginäre Inferno vor Augen.
    Die Straße machte einen sanften Knick, und er stand auf einem kleinen Plateau, von dem aus er die gesamte Umgebung des Dorfes überblicken konnte. Eine weite, leicht hügelige Landschaft lag zu seinen Füßen in der warmen Sommersonne. Die buschigen Bäume sahen von hier oben aus wie kleine Herden zusammengetriebener Schafe, und ein duftiger warmer Wind stieg zu ihm hinauf.
    Pierre warf einen Blick auf die verknitterte Karte, die er gestern im Arbeitszimmer

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