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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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auch für einen Gast, wenn auch in Soutane.
    Als er schließlich seinen Pfarrerskollegen auf der anderen Seite des Kirchhofs – inmitten einer Menschentraube – ausgemacht hatte, entschied er sich doch dafür, die Veranstaltung jetzt nicht zu stören und lieber später noch mal vorbeizusehen.
    Er seufzte. Beim Anblick der vielen Menschen auf dem Kirchplatz fiel ihm seine eigene traurige Veranstaltung von heute morgen wieder ein. Wie viele Jahre würde es wohl dauern, bis sich die Leute seiner Gemeinde ebenso zahlreich um ihn scharten, wie hier um seinen Amtskollegen? Neidisch? Ja natürlich war er neidisch! Er raffte sich hoch, verscheuchte die trüben Gedanken und sah sich um.
    »He, ihr! Kommt mal her!« rief er ein paar Kindern zu, die in seiner Nähe wild kreischend hintereinander herjagten und versuchten, sich gegenseitig mit Matsch zu bewerfen. Die Meute – alle offensichtlich in ihren feinsten Sonntagssachen – hielt sofort inne und versteckte ihre Hände mit dem Modder hinterm Rücken, damit er das triefende Zeug nicht sehen konnte. »Kommt mal her!« rief er noch mal freundlich und winkte sie zu sich heran. »Wißt ihr, wo der Gendarm wohnt?«
    Nur zögerlich kamen sie näher. Offensichtlich in Erwartung eines Donnerwetters blieben alle verschüchtert in einiger Entfernung stehen und blickten zu Boden.
    »Ihr müßt mehr Wasser an euren Matsch tun, dann klebt er besser und fliegt weiter!«
    Die Kinder sahen sich an und kicherten. Eins von ihnen begann Pierre von oben bis unten zu mustern, ohne seine Frage nach dem Gendarmen zu beantworten. »Bist du auch ein Priester?« fragte die Kleine keck, während sich der Rest der Bande schon einige Schritte in seine Richtung vorwagte.
    »Aber sicher! Seht her!« Pierre präsentierte demonstrativ seine Soutane und fischte seinen Rosenkranz aus dem Ärmel. Schwungvoll ließ er ihn hin und her pendeln.
    Aber die Kleine in ihrem weißen Kleidchen schien immer noch nicht zufrieden zu sein und musterte ihn abermals kritisch.
    »Aber du siehst gar nicht aus wie ein Priester. Du bist viel zu groß ... und deine Haare ...«, sie zögerte.
    »Was ist mit meinen Haaren?« fragte Pierre ermunternd und freundlich zurück, sichtlich gespannt, was dieses Kinderhirn im Schilde führte.
    »Du hast viel zu viele Haare ... und viel zu schwarz. Priester haben das nicht. Und eine Brille hast du auch nicht!« setzte sie schnell noch hinterher. »Da! Willst du auch was?« Schüchtern bot sie ihm den großen Klumpen Dreck an, den sie die ganze Zeit hinter ihrem Rücken versteckt hatte. Ihre Arme waren bis zu den Ellenbogen mit diesem Zeug eingesaut.
    Wenn das mal keinen Ärger gibt! » Ja, gern!« strahlte Pierre. »Ein schönes Geschenk für den Gendarmen! Wo wohnt der eigentlich?«
    »Da hinten!« Die verdreckten Kleinen streckten eifrig ihre Arme aus und zeigten wild auf ein Haus auf der anderen Straßenseite. Na also! Endlich ist es raus! Und während er sich noch darüber freute, daß er diesem schmuddeligen Haufen doch noch etwas entlockt hatte, flog schon wieder der erste Matschklumpen in der hinteren Reihe. Alle brachen sofort wieder in Gekreische und Gejohle aus und rannten wie von der Tarantel gestochen hintereinander her. Hoffentlich verraten sie ihren Eltern nicht, daß sie den Tip mit dem zusätzlichen Wasser für den Matsch von mir haben! Amüsiert blickte er ihnen nach, während er zum Haus hinüberging.
    »Mein Mann ist hinten!« rief ihm eine dicke Frau zu, die im Vorgarten auf den Knien lag und resolut dem Unkraut den Garaus machte. »Gehen Sie da lang!« Sie deutete hinter sich.
    Im Garten des Hauses – das nebenbei betrachtet überhaupt nicht den Anschein einer Gendarmerie erweckte – hackte jemand Holz. Nur mit einer Uniformhose und einem Unterhemd bekleidet spaltete ein Mann – wohl der Gendarm höchstpersönlich – mit seiner blitzenden Axt die Holzstücke so leicht wie Ziegenkäse. Von weitem sah er übrigens aus, wie ein Ringer vom Jahrmarkt. Sein völlig kahler, eierförmiger Schädel glänzte in der Sonne. Ströme von Schweiß rannen seinen fleischigen Nacken hinunter, während sein muskulöser Arm die monströse Axt wie ein Spielzeug unentwegt niedersausen ließ.
    »Guten Tag, ich bin der neue Pfarrer aus Rennes. Sind Sie hier der Gendarm?«
    Der bärige Mann, er mochte gut seine dreihundert Pfund auf die Waage bringen, hielt mitten im Schlag inne und wandte sich behäbig zu Pierre um, der sich ein Grinsen nur schwer verkneifen konnte. Oben auf dem Kopf

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