Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
lasse mich nicht von euch verbiegen , dachte sie wütend, während sie ihr Haar kräftig massierte.
Nach einer nervtötend langen Einwirkzeit schamponierte sie ihren Kopf noch einmal durch, ließ den Föhnwind durch die Locken blasen und griff zum Glätteisen. Mit einem verbissenen Gesichtsausdruck zog sie Strähne für Strähne durch das heiße Eisen. Anschließend trug sie dick Mascara auf und bepinselte ihre Lider mit einem rauchigen Grau. Zufrieden warf sie einen Blick in den Spiegel.
Auch die Garderobe beschwor keinerlei Probleme herauf.
Mia stieg in schwarze Röhrenjeans, ein ebenfalls schwarzes T-Shirt und band sich die dunkle Lederjacke um die Taille. Bei den Springerstiefeln, die nach wie vor als Indiz für die schwarzen Streifen an der Wand auf dem Boden lagen, gab sie sich nicht einmal die Mühe, die Bänder zu verknoten.
Ein süffisantes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie die Treppe hinunter trampelte und die Küche betrat.
»Guten Morgen«, rief sie betont fröhlich ihren Eltern zu, die beide bereits am Tisch saßen.
Mias Mutter blickte auf.
»Guten Mor…«.
Als sie ihre Tochter erblickte, gefror ihr das Lächeln im Gesicht und sie verschluckte sich an dem Stück Marmeladenbrot, an dem sie gerade kaute. Lauthals fing sie zu husten an und versuchte sich mit den Händen Luft zuzufächeln. »Verschluckt?«, fragte Mia mit aufgerissenen Augen unschuldig und konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Ihr Vater ließ die Zeitung sinken, um seiner Frau den Rücken zu klopfen, doch als er Mia sah, vergaß er sein Vorhaben auf der Stelle. Eine steile Zornesfalte wuchs auf seiner Stirn.
»Das ist doch nicht dein Ernst Mia!«, sagte er mühsam beherrscht.
Mia zuckte mit den Schultern. »Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Also mir gefällt es!«, antwortete Mia.
»Pink ist in dieser Saison der letzte Schrei. Und ich dachte, da ihr euch bei der Farbauswahl meines Zimmers solche Mühe gegeben habt, mache ich euch eine Freude und passe mich an. Ihr steht doch scheinbar so auf Rosa!«
»Aaaaber doch nicht bei den Haaren«, stammelte Mias Mutter und unterdrückte erneut einen Hustenreiz.
Mia zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe.
»Nicht?«, fragte Mia und tat so, als sei sie völlig überrascht.
»Ich dachte, ich mache euch eine Freude damit.«
Mias Vater durchschaute ihr Spiel als Erster.
»Halte uns nicht für dämlich, mein Fräulein! Glaub nur nicht, dass wir dein Spiel nicht durchschauen!«
Mia zog die rechte Augenbraue in die Höhe und schaute ihrem Vater dabei kerzengerade in die Augen. Etwas, wovon sie wusste, dass es ihn zur Weißglut trieb.
Für einen kurzen Moment hielt er dem Blick seiner Tochter stand, dann erhob er sich etwas umständlich und wandte sich brüsk ab.
»Du wirst schon sehen, wie du an deiner neuen Schule damit ankommst!«, presste er ärgerlich zwischen den Zähnen hervor, als er die Küche verließ. Sekunden später schlug eine Autotür zu und ihr Vater preschte vom Hof.
Mia lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre ganze Haltung strahlte nur eines aus: Pure Ablehnung!
Mias Mutter stand auf, umrundete den Tisch und blieb direkt vor ihr stehen. Verzweifelt griff sie nach einer der pinkfarbenen Strähnen und betrachtete sie fassungslos.
»Mia, wieso hast du das gemacht? Ich dachte wir wären uns einig gewesen. Keine weiteren Farbexperimente. Was sollen nur deine Mitschüler von dir denken? Und erst die Lehrer!«
Mia stieß die Hand ihrer Mutter zur Seite und stand so heftig auf, dass der Stuhl hinterrücks zu Boden knallte.
»Von mir aus können diese Landeier denken, was sie wollen! Glaub nur nicht, dass ich ab nun im Dirndl und in Gummistiefeln durch die Straßen laufe«, fauchte sie, griff sich ihren Rucksack und stürmte aus der Tür.
Missmutig holte sie ihr Mountainbike aus der Garage und schlug den Weg in Richtung Schule ein. Eigentlich hatte Mia ihre Mutter noch einmal nach der genauen Wegbeschreibung fragen wollen.
Doch jetzt noch einmal umzudrehen und damit klein beizugeben, kam nicht infrage. Darum verließ sie sich auf den Stadtplan in ihrer Hand und hoffte ihn richtig lesen zu können.
Die Zwillinge
F ünfzehn Minuten später stand sie vor der Eingangstür zum Gymnasium. Mia schwang sich vom Sattel und blickte suchend in alle Richtungen. Doch einen Fahrradständer konnte sie nirgends erspähen.
Eine Gruppe Jungs ging soeben an ihr vorbei und grinste anzüglich.
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