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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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aufzuwiegen«, forderte er seine Nichte auf.
    Bittere Süße breitete sich in ihrem Mund aus. Warm und rund schmiegte sich die dunkelbraune Flüssigkeit an ihren Gaumen. »Na, kannst du mir ein paar der Inhaltsstoffe nennen?«, fragte er herausfordernd. Als Luzia sah, wie seine Augen vor Freude leuchteten, wusste sie, dass er nicht einen Augenblick an ihren Fähigkeiten zweifelte.
    »Mmh, mal sehen, ob ich das kann, bitter und aromatisch … Engelwurz, Baldrian und vielleicht Myrrhe.«
    Basilius nickte. »Kennst du auch die lateinischen Entsprechungen?«
    »Angelica archangelica, Valeriana und Commiphora myrrha.«
    »Ganz meine Nichte«, lobte Basilius, und seine Augen leuchteten voller Zufriedenheit.

    Aufgeregt verließ Luzia das große Apothekerhaus. Obwohl ihr Basilius mehrfach versichert hatte, dass sie sich vor der Einschreibung ins große Buch der Stadt Ravensburg nicht zu fürchten brauche, beschlich sie ein mulmiges Gefühl. Sie wandte sich nach links, wo die Straße zum Marktplatz hin abfiel. Hier in der Marktstraße wohnten die wohlhabenden Patrizier. Ihre Häuser waren allesamt groß, prächtig und aufwendig verziert. Auf dem Katzenkopfstein hallten ihre Schritte unüberhörbar. Eine Frau öffnete die Fensterläden im ersten Stock und blickte hinaus. Luzia grüßte freundlich, die andere nickte nur. Nach wenigen Minuten öffnete sich die feine Marktstraße zum Marktplatz, an dessen Ende das Rathaus stand. Der Staffelgiebel mit seinen Zinnen erinnerte an eine mächtige Burg. An der Nordwand klebte der kleine Gerichtserker mit den Wappen der Stadt und des Reichs. Und auf dem Dach saß der Glockenturm, von wo aus die Stadträte zur allwöchentlichen Ratsversammlung gerufen wurden.
    Zwei Frauen standen bereits im Eingangsbereich und führten ein angeregtes Gespräch. Sie warteten darauf, dass sie der Ratsknecht einließ. Beide trugen Kleider aus feinem Tuch. Mit Luzias Ankunft verstummten sie und musterten sie voller Neugier.
    »Die neue Hebamme«, sagte die Ältere von beiden, wobei sie sich keine große Mühe gab, ihre Stimme zu senken.
    »Sie hat ja rotes Haar«, bemerkte die Jüngere spitz.
    »Natürlich hat sie rotes Haar. Das hatte sie schon, als sie noch ein Kind war.«
    »Du kennst sie?«
    »Ja, und ich bin gespannt, ob sie genauso grob ist, wie ihre Mutter es war«, überlegte die Ältere.

    »Ich hoffe nicht«, gab die andere zur Antwort. »Mein Monatsblut ist bereits zum dritten Mal gestockt, langsam glaube ich, guter Hoffnung zu sein.« Die hübsche junge Frau lächelte bei diesem Geständnis.
    Luzia wandte sich ihr zu und sagte freundlich: »Ihr seid guter Hoffnung, das erkenne ich gleich. Trinkt den Sud aus gekochten Himbeerblättern mit Fenchel und Frauenmantel, das ist wichtig, besonders wenn es das erste Mal ist.«
    Die junge Frau schnappte nach Luft. »Das erste Mal! Wie könnt Ihr das wissen?«
    In diesem Augenblick schwang die Tür auf, und Luzia ging an den beiden vorbei hinein. Hinter sich hörte sie erregtes Geflüster.
    Das Innere des Rathauses umfing sie mit feuchter Kühle. Luzia stieg die große Treppe hinauf und klopfte an die schwere Eichentür, die viel höher war als sie selbst. Der Stadtmedicus, der sie empfing, war nicht Johannes von der Wehr, den sie vorzufinden erwartet hatte, sondern sein älterer Amtskollege, Doktor Friedrich Sauerwein. Der dicke Mann war ihr auf Anhieb unsympathisch. Seine feisten Wangen und sein Doppelkinn zeugten nicht gerade von Askese. Und die rote Gesichtsfarbe wies auf ein zorniges Gemüt.
    »Wie ist Euer Name, Frau?«, fragte Sauerwein eisig, »und was wollt Ihr?«
    Luzia knickste: »Luzia Gassner, ich bin die neue Hebamme, und als solche möchte ich mich bei Euch vorstellen.«
    »So, so, Ihr seid also die Gassnerin?«, entgegnete Sauerwein. Widerwillig betrachtete er ihr rotes Haar.
    Luzia nickte und senkte züchtig den Blick.
    Der Stadtmedicus überprüfte Luzias Wissen mit ein paar
Fragen zur Geburtshilfe, und weil sie seiner Befragung mit den richtigen Antworten begegnete, hatte er keinen Anlass, ihr die Arbeit in der Stadt zu verwehren. Mit saurer Miene holte er das Register hervor, in das er Luzia als neue Hebamme registrieren musste.
    »Wann seid Ihr geboren?«, wollte Sauerwein mit der Feder in der Hand wissen. Luzia räusperte sich, dann fasste sie Mut und antwortete mit fester Stimme:
    »Wenn Ihr gestattet, ich kann mich selbst ins Register einschreiben.«
    »Ihr seid des Schreibens mächtig? Ach, richtig, Kaplan Grumper hat mir ja

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