Seelengesaenge
etwas?«
»Nichts Wichtiges. Ich war froh, als ich hörte, daß Ihr Raumschiff wieder repariert wird. Die Lady Macbeth hat bei unserer Rettung beträchtliche Schäden erlitten. Ich weiß sehr genau, wie kostspielig diese Maschinen sind. Ich würde nicht wollen, daß Sie durch Ihre Selbstlosigkeit finanziellen Schaden erleiden.«
»Danke sehr, Vater.«
»Die Kinder würden Sie gerne noch einmal sehen, bevor Sie abreisen.«
»Äh … warum?«
»Ich glaube, sie möchten sich bei Ihnen bedanken.«
»Oh, ja.« Joshua warf einen Seitenblick zu Melvyn, der sich ebenfalls nicht wohl in seiner Haut fühlte. »Ich versuche Zeit zu finden, Vater.«
»Ich dachte, vielleicht könnten Sie es mit dem Gedenkgottesdienst verbinden? Die Kinder werden alle kommen.«
»Welcher Gedenkgottesdienst?«
»O je, hat Sarha Ihnen denn nicht Bescheid gegeben? Der Bischof hat sich einverstanden erklärt, daß ich einen Gottesdienst zum Gedenken an diejenigen abhalte, die sich für die Kinder geopfert haben. Ich denke, Mister Malins Team und Warlow haben unsere Gebete verdient. Die Messe beginnt in drei Stunden, junger Joshua.«
Joshuas gute Stimmung ging dahin. Ich will nicht über den Tod nachdenken und über das, was hinterher kommt. Nicht jetzt.
Horst betrachtete das Gesicht des jungen Mannes und bemerkte hinter der sorgfältig gefaßten Miene sowohl Angst als auch Schuldgefühle. »Joshua«, sagte er leise. »Es gibt mehr nach dem Tod als nur das Jenseits der Possessoren. Glauben Sie mir. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wieviel mehr. Die Aufzeichnungen Ihrer Freundin Kelly sind zwar wahrhaftig und ehrlich, aber sie enthalten nicht annähernd die ganze Geschichte. Glauben Sie wirklich, ich könnte an meinem Glauben an Gott den Herrn festhalten, wenn Shaun Wallace recht hätte?«
»Was haben Sie gesehen?«
»Etwas, das mich voll und ganz überzeugt hat, Joshua. Für Sie wäre es wahrscheinlich etwas anderes gewesen.«
»Ich verstehe. Wir müssen also jeder für sich zum Glauben finden?«
»Wie immer, mein junger Joshua. Wie immer.«
Tranquilitys Kathedrale war dem Vorbild der mittelalterlichen Gotteshäuser Europas nachempfunden. Sie war eines der wenigen Gebäude im Innern des Habitats und stand mehrere Kilometer abseits des Rings aus flachen Bauwerken, in denen sich die Foyers der Sternenkratzer verbargen, mitten in einer weiten Parklandschaft. Die Polypmauern waren schneeweiß mit einer hohen gewölbten Decke, die von glatten Streben gestützt wurde und den Eindruck eines lange verlassenen Bienenstocks erweckte. Hohe Fenster in den Wänden waren mit dem traditionellen Bleiglas verschlossen, und eine riesige Rosette am Ende des Hauptschiffs überragte den Altar. Die Mutter Gottes, mit dem kleinen Jesus im Arm, blickte auf den massiven Granitstein herab, den Michael Saldana eigens von der Erde mitgebracht hatte.
Joshua hatte einen Platz in der ersten Reihe erhalten, direkt neben Ione. Er hatte nicht einmal die Zeit gefunden, seinen Bordanzug abzulegen, während sie ein exquisites schwarzes Kleid mit dem dazu passenden extravaganten schwarzen Hut trug. Wenigstens die Besatzung der Lady Macbeth teilte seine unpassende Kleidung.
Der Gottesdienst war kurz, möglicherweise wegen der Kinder, die unruhig zappelten und flüsterten. Joshua machte es nichts aus. Er sang die Kirchenlieder mit und lauschte Vater Horsts Predigt, und er schloß sich auch den Dankgebeten an.
Es war nicht ganz so befreiend, wie Joshua es sich erhofft hatte, doch er spürte zumindest eine gewisse Erleichterung. Menschen, die sich versammelt hatten, um den Toten ihren Dank auszusprechen. Wie hat diese Zeremonie eigentlich ihren Anfang genommen? fragte er sich. Wußten wir schon immer, daß sie aus dem jenseits auf uns herabsehen?
Als der Gottesdienst geendet hatte, schob Ione ihn zu dem Haufen Kinder auf der anderen Seite. Vater Horst und mehrere Kinderschwestern bemühten sich nach Kräften, die Bande unter Kontrolle zu halten. Sie hatten sich verändert, wie Joshua bemerkte. Das Kichern und Schnattern ringsum hätte von einem Kindergarten auf einer unbeschwerten Ausflugstour stammen können.
Kein einziges erinnerte mehr an die stille, verängstigte Gruppe, die kaum eine Woche zuvor an Bord der Lady Macbeth geströmt war.
Und während sie kicherten und ihre auswendig gelernten Dankeschöns rezitierten, wurde Joshua bewußt, daß er ebenfalls grinste. Wenigstens etwas Gutes war aus der ganzen Geschichte herausgekommen. Im Hintergrund nickte
Weitere Kostenlose Bücher