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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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offensichtlich hin und her gerissen. »Ja, wahrscheinlich. Ich weiß nicht einmal, wo Vater Horst hingegangen ist.«
    Horst Elwes hat eine Unterredung mit dem Bischof von Tranquility, dachte Ione bei sich, doch das sagte sie nicht laut.
     
    »Ich frage mich, warum Sie den Dämon in roter Farbe gesehen haben?« sann der Bischof laut, während die beiden Männer durch den Park der Kathedrale mit seinen jahrhundertealten Hecken, Rosenbeeten und steingesäumten Teichen spazierten. »Das scheint mir ein wenig klassisch. Schließlich wird kaum jemand glauben, daß Dante tatsächlich durch die Hölle geführt wurde.«
    »Ich denke, ›Dämon‹ ist vielleicht in diesem Fall zu einfach ausgedrückt«, erwiderte Horst. »Ich zweifle nicht daran, daß es eine Art spiritueller Entität war, doch im Nachhinein betrachtet schien sie eher neugierig zu sein als bösartig.«
    »Bemerkenswert. Von Angesicht zu Angesicht mit einem Wesen, das nicht aus unserer Welt ist. Und Sie sagen, es erschien, bevor die Zettdees ihre Schwarze Messe zelebriert haben?«
    »Genau. Stunden vorher. Obwohl es definitiv während der Messe zugegen war, genau an dem Ort, wo die ganze Possession ihren Anfang nahm.«
    »Dann war es also der Initiator?«
    »Ich weiß es nicht, Hochwürden. Aber ich glaube nicht, daß seine Gegenwart ein Zufall war. Das Wesen war involviert, kein Zweifel.«
    »Wie eigenartig.«
    Horst war beunruhigt über den melancholischen Tonfall des alten Mannes. Joseph Saro war weit entfernt von dem harten, realistischen Bischof, dem Horst auf der Erde in der Arkologie gedient hatte. Das hier war ein vornehmer, freundlicher Mann, dessen subtile Art perfekt zu einer anspruchslosen Diözese wie Tranquility paßte. Mit seinem nahezu weißen Bart und der faltigen ebenholzschwarzen Haut strahlte er eine behagliche Würde aus. Er wirkte viel eher wie ein fürsorglicher Freund als ein religiöser Führer.
    »Hochwürden?« fragte Horst.
    »Eigenartig zu denken, daß es zweitausendsechshundert Jahre her ist, daß Unser Herr Jesus Christus über die Erde wandelte, das letzte Zeitalter der Wunder. Wir sind, wie Sie ganz richtig erwähnten, viel stärker an das Konzept des Glaubens gewöhnt als an das der Tatsachen. Und jetzt sind wir wieder dort, wo alles begann: umgeben von Wundern, obgleich sie von einer einzigartig dunklen Herkunft scheinen. Die Kirche muß die Menschen nicht mehr länger lehren und dann beten, daß sie aus sich heraus zum Glauben finden; heutzutage müssen wir nur noch den Finger ausstrecken und auf Tatsachen zeigen. Wer kann sich vor dem verschließen, was die eigenen Augen enthüllen, selbst wenn es verletzend ist?« Er lächelte wenig überzeugt.
    »Unsere Lehren haben trotzdem noch einen Sinn«, entgegnete Horst. »Heute mehr denn je. Glauben Sie mir, Hochwürden, die Kirche hat Jahrtausende überdauert, damit die Lebenden die Botschaft Christi empfangen. Das ist eine gewaltige Leistung, auf die wir alle stolz sein können. Die Kirche mußte soviel Leid ertragen, Schismen von innen heraus, Angriffe und Anfeindungen von außen … und alles nur, damit die Menschen Sein Wort selbst in der dunkelsten Stunde hören können.«
    »Welches Wort?« fragte Joseph Saro leise. »Wir haben heute so viele wahre Geschichten: alte Lehrmeinungen, enthüllende Schriften, revisionistische Lehren von Christus dem Pazifisten oder Christus dem Krieger. Wer weiß schon, was wirklich gesagt wurde, was geändert wurde, damit es Rom in das Konzept paßt? Es ist alles so schrecklich lange her, Horst.«
    »Sie irren sich, Hochwürden. Es tut mir leid, aber die Einzelheiten jener Zeit sind irrelevant. Daß Jesus Christus existierte ist alles, was wir wissen müssen. Wir haben die Botschaft Unseres Herrn durch die Jahrhunderte getragen, wir haben den Glauben am Leben gehalten für diesen Tag. Christus hat uns gezeigt, daß das menschliche Herz Würde und Erhabenheit besitzt und daß jedermann erlöst werden kann. Wenn wir an uns selbst glauben, können wir nicht scheitern. Und das ist die Kraft, die wir sammeln müssen, wenn wir den Besessenen gegenüber stehen.«
    »Ich bin sicher, Sie haben recht, Horst, nur … diese Botschaft erscheint ein wenig …«
    »Zu einfach meinen Sie? Fundamentale Dinge sind stets einfach, Hochwürden. Das ist schließlich der Grund, weshalb sie so lange Zeit überdauern.«
    Joseph Saro klopfte Horst auf die Schulter. »Ah, mein Sohn. Wer von uns ist jetzt der Lehrer? Ich beneide Sie um Ihren Glauben, wirklich, Horst.

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