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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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mächtige Hülle des Habitats gestatteten. Gegenwärtig stand Tranquility über der Nachtseite des Mirchusko, doch die Ringe glitzerten, als bestünden sie aus gefrostetem Glas, und die glatte beryllfarbene Kugel Falsias besaß einen Schimmer von Aquamarin. Die Sterne setzten ihren endlosen Orbit rings um das Habitat fort.
    Ein Mädchen hatte sich ein dickes Nest aus Kissen vor einem der Fenster zusammengeschoben und sich darin eingekuschelt. Es beobachtete die astronomischen Wunder, die langsam vor dem Fenster vorbeizogen. Nach den lokalen Speichern des neuralen Stratums saß das Kind bereits zwei Stunden so dort. Ein Ritual, das sich seit seiner Ankunft an Bord der Lady Macbeth nicht geändert hatte.
    Ione bückte sich neben der Kleinen. Sie sah aus wie zwölf und besaß kurzgeschorenes Haar von einem Blond, das beinahe silbern wirkte.
    – Wie lautet ihr Name? fragte Ione.
    – Jay Hilton. Sie ist die Älteste in der Gruppe und die Anführerin. Und sie ist eins von den schwermütigen Kindern, die Dr. Giddings erwähnt hat.
    »Hallo Jay.«
    »Ich kenne Sie.« Jay setzte ein schräges Stirnrunzeln auf. »Sie sind die Lady Ruin!«
    »O je, du hast mich erkannt!«
    »Ich dachte es mir. Alle sagen, Sie hätten das gleiche Haar wie ich.«
    »Hmmm … beinahe richtig. Meine Haare sind ein wenig länger.«
    »Vater Horst hat mir die Haare abgeschnitten.«
    »Es steht dir jedenfalls nicht schlecht.«
    »Vater Horst kann prima Haare schneiden.«
    »Aber Haareschneiden ist offensichtlich nicht das einzige, was er beherrscht, hm?«
    »Ja.«
    »Du spielst nicht viel mit den anderen Kindern, wie?«
    Jay rümpfte verächtlich die Nase. »Das sind doch nur Kinderspiele.«
    »Aha, ich verstehe. Du ziehst also die Aussicht vor, ja?«
    »So ähnlich. Ich hab’ noch nie im Leben den Weltraum gesehen. Nicht richtig jedenfalls, so wie hier. Ich dachte, er wäre einfach leer, aber das hier ist ganz anders. Es ist so schön mit den Ringen und allem. Genau wie der Park. Tranquility ist wunderschön.«
    »Danke sehr. Aber wärst du nicht im Park besser aufgehoben? Das ist viel gesünder, als wenn du den ganzen Tag hier sitzt.«
    »Vermutlich.«
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Nein. Es ist nur … Ich glaube, hier ist es sicherer, das ist alles.«
    »Sicherer?«
    »Ja. Ich habe auf dem Flug hierher mit Kelly gesprochen; wir waren zusammen im Raumflugzeug untergebracht. Sie hat mir alle Aufzeichnungen gezeigt, die sie auf Lalonde gemacht hat. Wußten Sie, daß die Besessenen Angst vor dem Weltraum haben? Deswegen erschaffen sie die rote Wolke am Himmel, damit sie ihn nicht sehen müssen.«
    »Ich erinnere mich daran, ja.«
    »Es ist schon eigenartig, wenn man genau darüber nachdenkt«, sann Jay. »Die Toten haben Angst vor der Dunkelheit.«
    »Gott sei Dank, daß sie vor irgend etwas Angst haben. Ist das der Grund, weswegen du hier sitzt?«
    »Ja. Das hier ist wie die Nacht, deshalb bin ich hier vor den Besessenen sicher.«
    »Jay, auf Tranquility gibt es keine Besessenen. Wirklich nicht, ich verspreche es.«
    »Das können Sie nicht. Niemand kann das.«
    »Also schön. Fünfundneunzig Prozent. Na, wie klingt das?«
    »Ich glaube Ihnen.« Jay lachte verlegen.
    »Gut. Du vermißt sicherlich deine Familie?«
    »Mami fehlt mir. Wir sind nach Lalonde gegangen, damit wir vor dem Rest unserer Familie Ruhe hatten.«
    »Oh?«
    »Und Drusila fehlt mir ebenfalls. Mein Kaninchen. Und Sango, das große Pferd von Mister Manani. Aber Sango ist tot. Quinn Dexter hat ihn erschossen.« Ihr Lächeln verschwand, und sie warf einen Blick auf die Sterne, als fände sie dort Sicherheit.
    Ione musterte das junge Mädchen ein paar Sekunden lang. Sie kam zu dem Schluß, daß eine Gastfamilie in Jays Fall wahrscheinlich keinen Sinn machte – Jay war viel zu aufgeweckt, um einen Ersatz für irgend etwas zu akzeptieren. Allerdings … hatte Dr. Giddings nicht gesagt, Kinder seien bestechlich …? »Da gibt es jemanden, den ich dir gerne vorstellen würde«, sagte Ione. »Ich denke, du wirst dich prima mit ihr verstehen.«
    »Wer?« fragte Jay.
    »Eine Freundin von mir. Eine ganz besondere Freundin. Aber sie kommt nicht in die Sternenkratzer; das ist nicht ganz einfach für sie. Du mußt schon nach oben kommen und sie im Park besuchen.«
    »Ich sollte hier auf Vater Horst warten. Wir essen immer zusammen zu Mittag.«
    »Ich bin sicher, daß es ihm nichts ausmacht, wenn er heute alleine essen muß. Wir können ihm ja eine Nachricht hinterlassen.«
    Jay war

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