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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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ausstrahlte.
    Schließlich standen sie sich gegenüber und erstarrten. Ihre Waffen strichen über die gesamte Länge des Korridors, doch niemand war mehr zwischen ihnen.
    Der Truppführer des einen Flügels schulterte sein Gewehr. »Verdammter Mist! Wohin zur Hölle ist sie nur verschwunden?«
     
    »Ich wußte, daß sie die Aufzüge deaktivieren würden!« sagte der Rotschopf zufrieden. »Das ist Standardtaktik im Umgang mit Besessenen. Man blockiert jedes Transportsystem in der Nähe, um uns an der Ausbreitung zu hindern. Ziemlich gut, wie die Jungs hier auf Zack sind.«
    Gerald stimmte ihr insgeheim zu, doch er schwieg verbissen und konzentrierte sich auf das, was genau vor seinem Gesicht lag.
    Er wagte nicht, einen Blick nach unten zu werfen.
    Die besessene Frau mochte vielleicht sämtliche Türen in der klinischen Abteilung aufgebrochen haben, aber als sie dann draußen in der Halle gewesen waren und vor den Aufzugtüren gestanden hatten, reichte eine einzige teilende Handbewegung, und die Türen glitten lautlos auf. Danach waren sie in den Schacht gestiegen und an der Notleiter nach unten geklettert. Gerald konnte kaum die Hand vor Augen sehen, und das einzige Licht war ein bläulicher Schein von der Frau über ihm. Er wollte gar nicht wissen, wie sie es machte.
    Es war kühl im Schacht, und die Luft schmeckte feucht und metallisch. Und es war still. Die Dunkelheit über und unter ihnen verschluckte sämtliche Geräusche. Alle ein oder zwei Minuten erkannte Gerald eine weitere Tür im Schacht, und durch die schmalen Gummilippen drangen Licht und Fetzen von Unterhaltungen herein.
    »Vorsichtig jetzt«, sagte die Frau. »Wir sind fast unten. Noch zehn Sprossen.«
    Das Licht wurde heller, und Gerald riskierte einen Blick nach unten. Ein Metallgitter glänzte naß vor kondensierter Luftfeuchtigkeit am Fuß der Leiter. Gerald stellte sich darauf und erschauerte. Fröstelnd rieb er sich die Arme. Von oben drangen mechanische Geräusche herab.
    Die besessene Frau sprang flink die letzten beiden Sprossen herab und grinste Gerald freudig an. »Halt still jetzt«, sagte sie und legte ihre Hände an seine Schläfen, mit den Fingern über seinen Ohren.
    Gerald erschauerte bei ihrer Berührung. Ihre Hände fingen an zu leuchten. Das war es also. Der Anfang der Schmerzen. Bald würde er wieder die wahnsinnigen Stimmen aus dem Jenseits hören, und eine von ihnen würde erneut in seinen Körper strömen und Besitz von ihm ergreifen. Das Ende aller Hoffnung. Ich könnte mich auch weigern und zulassen, daß sie mich zu Tode foltert … Besser tot als …
    Die Frau nahm die Hände wieder weg, und das Leuchten, das von innen heraus gekommen war, verblaßte. »Ich denke, das sollte reichen. Ich hab’ die Extraktionsnanonik zerstört. Die Ärzte und die Polizei hätten sie sonst nur eingesetzt, um zu sehen, wo wir sind und was wir tun, und dann hätten sie dich wieder schlafen geschickt.«
    »Was?« Er betastete seinen Schädel mit vorsichtigen Fingern. Alles schien intakt zu sein. »Mehr haben Sie nicht getan?«
    »Nein. So schlimm war’s doch gar nicht, oder?« Sie winkte. »Dort gibt es eine Luke, die in einen der Wartungstunnel führt. Rein mechanisch, also stören wir keinen Prozessor.«
    »Und dann?« fragte er verständnislos.
    »Wir fliehen von Guyana und suchen einen Weg, wie du nach Valisk gelangen und Marie helfen kannst. Was denn sonst, Gerald?« Sie packte den Griff der meterhohen Luke und schob ihn nach oben. Die Luke schwang auf, und dahinter wurde noch mehr Dunkelheit sichtbar.
    Gerald stand kurz vorm Weinen. Sein Kopf fühlte sich ganz eigenartig an, heiß und leicht zugleich, und das Denken fiel ihm schwer. »Warum? Warum tun Sie das alles? Spielen Sie mit mir?«
    »Selbstverständlich nicht, Gerald. Ich möchte mehr als alles andere, daß Marie wieder sie selbst wird. Sie ist alles, was wir noch haben, du und ich. Du weißt das. Du hast gesehen, was aus dem Gehöft geworden ist.«
    Er sank auf die Knie und starrte in ihre flaches orientalisches Gesicht und die wunderbaren Haare und bemühte sich verzweifelt zu verstehen. »Aber warum? Wer sind Sie, daß Sie Interesse an Marie haben?«
    »Oh, mein liebster Gerald, es tut mir leid. Das hier ist der Körper von Pou Mok. Es kostet viel zuviel Anstrengung, mein eigenes Erscheinungsbild aufrechtzuerhalten, ganz besonders angesichts dessen, was ich hier tue.«
    Gerald sah wie betäubt zu, als das kupferfarbene Haar dunkler wurde und die Haut in ihrem Gesicht neue Züge

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