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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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wir genausogut ganz allein im weiten Universum sein.«
    »Sagen Sie das nicht!« bat Genevieve. »Wir sind den weiten Weg hierher geflogen, um den schrecklichen Dingen zu entkommen.«
    »Und das sind wir auch, ganz bestimmt, kleine Lady.«
    Genevieve wandte sich einen Augenblick vom Holoschirm ab und lächelte Fletcher zu. Die Reise hatte sie um einiges ruhiger werden lassen. Das neuartige Gefühl der Schwerelosigkeit und die Freude an den sich daraus ergebenden Möglichkeiten waren bald verklungen, und es hatte nur wenig anderen Zeitvertreib für die Passagiere gegeben. Deswegen hatte Genevieve bald gelernt, wie sie auf den Bordrechner zugreifen konnte. Furay hatte ihr ein paar alte sprachgesteuerte interaktive Programme freigeschaltet, und seit diesem Augenblick war sie ganz in AV-Projektionen von Kindermärchen, Lernfilmen und Spielen vertieft gewesen. Am liebsten jedoch hatte sie die Spiele gemocht; Stunde über Stunde hatte sie in ihrer Kabine gesessen, umgeben von einem holographischen Nebel, und gegen Phantasiegestalten gekämpft, mystische Landschaften erforscht und Raumschiffe zum Zentrum der Milchstraße gesteuert.
    Louise und Fletcher hatten die gleichen Programme benutzt, um Geschichtsenzyklopädien zu studieren und die wichtigsten Ereignisse der menschlichen Entwicklung seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Wegen der restriktiven Bildungspolitik auf Norfolk war das meiste davon für Louise genauso neu wie für Fletcher. Und je mehr Louise erfuhr, desto unwissender fühlte sie sich. Mehrmals hatte sie das Bedürfnis verspürt, sich bei Furay zu vergewissern, ob ein bestimmtes Ereignis tatsächlich so stattgefunden hatte. Die Aufzeichnungen in den Speicherkernen der Far Realm waren so ganz anders als das, was Louise in der Schule gelehrt worden war. Und immer hatte dieAntwort ja gelautet, obwohl Furay sie jedesmal dadurch abmilderte, daß er meinte, es käme stets auf den Kontext an, in dem man ein Ereignis betrachtete. »Interpretation durch ideologische Brillen hindurch war schon immer einer der schlimmsten Flüche unserer Rasse.«
    Doch selbst das machte Louise nicht glücklicher. Die Lehrer in der Schule hatten zwar genaugenommen nicht gelogen, und Zensur war angesichts der Vielzahl von Raumschiffen, die im Mittsommer nach Norfolk kamen, kaum praktikabel – doch sie hatten Louise und allen anderen ganz sicher eine erschreckende Vielzahl zweifelhafter Ereignisse vorenthalten.
    Louise befahl dem Bordrechner, den Annäherungsvektor zu zeigen. Das Hologramm verschwamm kurz und zeigte dann einen Blick von den Bugsensoren aus, der mit roten und gelben Graphiken überlagert war. Phobos fiel rasch dem Horizont entgegen, ein dunkler Stern in der Mitte eines wahren Bienenschwarms von Industriestationen. Gemeinsam beobachteten sie, wie das Bild heranwuchs, während die Far Realm ihren Orbit mit einer Beschleunigung von einem Zehntel g anglich. Phobos war seit mehr als fünf Jahrhunderten besiedelt, und hatte eine gewichtige Rolle in der Geschichte gespielt. Kein anderer Siedlungsasteroid oder Mond von dieser Größe kreiste so nah um einen besiedelten Planeten. Doch die Nähe machte Phobos auch zum idealen Rohstofflieferanten für die frühen Stadien des Terraform-Projekts. Seit jenen Tagen hatte sich Phobos nach und nach zu einem Fabrikationszentrum der SII und zu einem Flottenhafen entwickelt. Die hohe Eigenrotation sorgte für annehmbare Gravitation in den beiden Biokavernen, und sie hatte zugleich Jahrhunderte zuvor die letzten Staubpartikel in den Raum geschleudert. Nackter graubrauner Fels war alles, was nun dem Raum entgegenstarrte. Wo die Minenmannschaften Berge abgetragen hatten, um eine gleichmäßigere Rotationssymmetrie zu erzeugen, sowie an den abgeflachten Polen glänzte das Gestein wie polierter Marmor. Wegen seiner zylindrischen Form und den gewaltigen Maschinen überall auf den Polen sah Phobos aus wie ein Zwischending zwischen einer gewöhnlichen Asteroidensiedlung und einem edenitischen Habitat.
    Kommandantin Layia dirigierte die Far Realm auf den Annäherungsvektor, der ihr von der Raumflugkontrolle zugewiesen worden war, dann verbrachte sie weitere zwanzig Minuten in einer Datavis-Konferenz mit dem SII-Flottenoperationszentrum, um die Ursache für die Verzögerung des Rückflugs von Norfolk zum Mars zu erklären.
    »Du hast doch wohl nichts von unseren Passagieren erwähnt?« erkundigte sich Tilia, als die Konferenz geendet hatte.
    »Das Leben ist auch so schon kompliziert genug«,

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