Seelengesaenge
Gerald«, sagte die Frau und zerrte Skibbow auf die Füße.
»Nein!« kreischte er voller Entsetzen. »Sie sind eine von ihnen! Lassen Sie mich gehen, bitte! Ich kann nicht wieder einer von Ihnen werden! Ich ertrage das nicht noch einmal! Bitte! Meine Tochter!«
»Halt den Mund und beweg dich, los. Wir werden Marie finden.«
Gerald riß den Mund auf und starrte sie an. »Was wissen Sie von Marie?«
»Daß sie dich braucht, und zwar verdammt dringend. Und jetzt komm endlich!«
»Sie wissen Bescheid?« schniefte er. »Woher wissen Sie das?«
»Jetzt komm endlich!« Sie zerrte ihn hinter sich her und setzte sich in Richtung der Tür in Bewegung. Gerald war, als würde er vom Lastarm eines schweren Frachtmechanoiden gepackt.
Der Steward hob vorsichtig den Kopf hinter der Theke, um zu sehen, was geschah. Die Mitarbeiter der Klinik und die Patienten hatten sich unterschiedslos hinter dem Mobiliar in Deckung geworfen. Die furchtbare besessene Frau stapfte entschlossen in Richtung Tür und zerrte den sich wehrenden Gerald Skibbow hinter sich her. Der Steward benutzte seine Nanonik und verriegelte die Tür elektronisch, dann öffnete er einen Kanal zum Netzprozessor, um einen Hilferuf abzusetzen. Der Prozessor reagierte nicht. Der Steward packte den Kortikalstörer, bereit …
»He, du da!« rief die Besessene.
Ein Band aus weißem Feuer krachte in seine Stirn.
»Ungezogener Junge!« sagte die Frau grimmig.
Gerald zitterte am ganzen Leib, als der Steward langsam nach vorn kippte. Rauch quoll aus dem flachen Krater in seiner Stirn. »Gütiger Gott im Himmel, wer sind Sie?«
»Mach mir jetzt nur ja keinen Ärger, Gerald.« Sie stand vor der verriegelten Tür. Die Luft des Raums schoß an ihr vorüber und zerzauste ihr rotes Haar. Dann floß die Luft wieder zurück, verwandelte sich in einen Hurrikan mit einem massiven, festen Auge. Der Hurrikan brandete gegen die Tür, und das verstärkte Komposit riß auf.
Die Frau trat durch den entstandenen Spalt und zerrte Gerald hinter sich her. »Und jetzt heißt es laufen«, sagte sie fröhlich.
Weil es ein Sanatorium der Königlichen Navy war, trugen die Wachen selbstverständlich Waffen. Was keinen großen Unterschied machte; es waren keine kampferfahrenen Truppen. Wann immer einer von ihnen der Frau und Gerald zu nahe kam, setzte sie das weiße Feuer ein. Die Folgen waren jedesmal verheerend. Das interne Sicherheitssystem des Asteroiden war allein anhand der Welle von Zerstörungen, die sie ringsum verbreitete, imstande, ihrer Spur zu folgen. Sämtliche elektronischen Schaltkreise und Apparate wurden von weißem Feuer vernichtet, Klimakanäle aufgerissen und zerfetzt, Mechanoiden zu Schlacke reduziert.
Sie tat es instinktiv und automatisch und vernichtete alles in ihrem Weg, das auch nur annähernd nach Gefahr aussah. Ordinär, aber äußerst wirkungsvoll.
Im gesamten Asteroiden wurde Alarmstufe Zwei ausgerufen. Königliche Marineinfanteristen stürmten aus ihren Kasernen in Richtung Sanatorium.
Doch wie das mit allen Asteroidensiedlungen der Fall war, hing auch hier alles dicht an dicht beisammen, und alles war so eng gepackt wie nur möglich. Die Frau und Gerald Skibbow benötigten keine neunzig Sekunden, um den Ausgang des Sanatoriums zu erreichen. Sensoren und Kameras in der Eingangshalle nahmen auf, wie die beiden aus der zerfetzten Tür kamen. Zu Tode erschrockene Passanten hechteten vor dem weißen Feuer in Deckung; es war fast, als benutzte sie es wie eine energistische Peitsche, um die Menschen aus ihrem Weg zu vertreiben. Dann erloschen die Bilder auf den Überwachungsmonitoren; die Netzprozessoren und die Aufzeichnungsapparate waren zerstört.
Der Befehlshaber der Königlichen Marines, der die Aktion koordinierte, besaß wenigstens soviel Geistesgegenwart, daß er die Aufzüge rings um die Eingangshalle deaktivieren ließ. Wenn sie nach draußen wollte, mußte sie zu Fuß gehen, und wenn sie zu Fuß unterwegs war, würde sie geradewegs in das Kommando rennen, das er inzwischen in einer Zangenformation vor ihr in Stellung gebracht hatte.
Beide Flügel arbeiteten sich vorsichtig durch die Eingangshalle nach vorn und schickten die letzten Zivilisten weg. Sie näherten sich der zerborstenen Tür des Sanatoriums aus entgegengesetzten Richtungen und mit schußbereiten chemischen Projektilwaffen, und ihre elektronischen Detektoren waren auf höchste Empfindlichkeit geschaltet, um jegliche energistische Statik aufzufangen, die ein Besessener
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