Seelengesaenge
Aussicht auf den nahenden Tod seine Sinne schärfte, wurde er sich dessen voll bewußt. Es wurde stärker, nicht lauter, aber harmonischer. Ein ganzer Chor flüsternder Stimmen. Stimmen, die ihm Liebe versprachen, Mitleid, Hilfe – wenn er nur …
Kugeln prasselten in die Flanke der Kreatur und zerfetzten das Fell und die langen Muskelfasern darunter. Dean hielt seine Halbautomatik fest auf die Kreatur gerichtet, die sich an Radford festklammerte. Er sah, wie das Material von Radfords Anzug wieder hart wurde. Die Klauen rutschten wieder wirkungslos ab.
»Halt!« rief einer der Beamten. »Sie töten Radford, wenn Sie nicht aufhören!«
»Wenn ich aufhöre, wird es schlimmer für ihn, als der Tod je sein könnte«, schnarrte Dean zurück. Leere Patronenhülsen flogen in erstaunlichen Mengen aus dem Schloß seiner Waffe, und noch immer wollte die Kreatur nicht von Radford ablassen. Ihr mächtiger Schädel schüttelte sich ununterbrochen, und sie stieß ein mitleiderregendes Geheul aus.
Alle Männer des Einsatzkommandos rannten jetzt durch die schmalen Korridore zwischen den Regalen auf Dean zu. Zwei weitere brüllten ihn an aufzuhören.
»Zurück!« befahl Dean. »Halten Sie lieber nach dem Rest der Bastarde Ausschau.« Sein Magazin war auf achtzig Prozent herunter. Das Gewehr besaß nicht genügend Feuerkraft, um die Kreatur zu schlagen. Sie mußte nichts weiter tun als warten, bis Dean keine Munition mehr hatte. Blut strömte an ihren Hinterbeinen herab, und das Fell war eine Masse von breiigem Fleisch. Immer noch nicht genügend Schaden, nicht annähernd genug.
»Schieß doch endlich noch jemand auf dieses Ding, um Himmels willen!« rief Dean wild.
Ein weiteres Gewehr begann zu schießen, und der Kugelhagel erwischte die Bestie an dem Fabelkopf. Endlich ließ sie von Radford ab. Die Wucht der Geschosse schleuderte sie gegen ein Lagerregal, und das klagende Schreien aus dem gräßlichen Maul wurde womöglich noch lauter.
Dean schaltete den Lautsprecher seines Kommunikatorblocks auf maximale Lautstärke. »Ergib dich oder stirb!« brüllte er.
Die Kreatur mochte aussehen wie ein Tier, doch der von grenzenlosem Haß erfüllte Blick kam aus nur allzu menschlichen Augen.
»Granate!« befahl Dean.
Ein kleiner grauer Zylinder schlug in den blutigen Körper ein.
Deans gepanzerter Anzug wurde für eine Sekunde stocksteif. Seine Kragensensoren fingen die Detonation auf. Eine Explosion, unmittelbar gefolgt von einer Implosion. Die Umrisse der Bestie verschwammen, und darunter kam ein Mann in mittlerem Alter zum Vorschein. Eine Millisekunde war er überdeutlich zu erkennen, wie er sich an den Rahmen des Regals klammerte, dann setzte der Kugelhagel wieder ein. Und diesmal hatte er keine Verteidigung mehr.
Dean hatte schon schlimmere Blutbäder gesehen, doch durch den beengten Raum zwischen den hohen Regalen wirkte es entsetzlich. Einige der Beamten teilten seine Erfahrungen offensichtlich nicht – oder sein Phlegma.
Sie halfen Radford auf die Beine, und er murmelte schwache Dankesworte. Die Geräusche der restlichen Teams des Einsatzkommandos irgendwo im Gebäude echoten dünn durch die Gänge.
Dean ließ ihnen eine Minute Verschnaufpause, bis sie ihre Fassung halbwegs zurückgewonnen hatten, dann ließ er die Suche wieder aufnehmen. Neunzig Sekunden später rief Alexandria Noakes nach ihm.
Sie hatte einen Mann entdeckt, der sich in einer Lücke zwischen zwei Kisten versteckt hielt. Dean rannte zu ihr und sah, wie sie den Gefangenen mit nervösen Stößen ihres Gewehrlaufs aus seinem Versteck scheuchte. Er richtete die Mündung seiner eigenen Waffe mitten auf das Gesicht des Mannes. »Ergib dich oder stirb«, sagte er.
Der Mann stieß ein unsicheres leises Lachen aus. »Aber ich bin bereits tot, Señor.«
Acht Hyperschallmaschinen der Polizei waren im Park vor Moyce’s Of Pasto gelandet. Ralph humpelte müde zu dem Flieger, der zugleich als mobiles Kommandozentrum diente. Der Unterschied zu den anderen Maschinen bestand lediglich in zahlreicheren Sensoren und einer umfassenden Kommunikationsausrüstung.
Es hätte durchaus schlimmer kommen können, sagte er sich. Wenigstens hatten Admiral Farquar und Deborah Unwin die Verteidigungsplattformen nicht eingesetzt. Noch nicht jedenfalls.
Vor den Fliegern wurden Reihen von Bahren mit verwundeten Einsatzkräften abgestellt. Ärzte bewegten sich unter ihnen und versorgten die Verletzten mit nanonischen Medipacks. Eine Frau war in eine Null-Tau-Kapsel gelegt
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