Seelengesaenge
einverstanden?«
»Nicht nötig.« Und jetzt lächelte Hanly doch noch. Er legte Frank den Arm um die Schulter. »Ich hab’ direkt hier um die Ecke geparkt. Komm mit, wir fahren bis zu dir. Das geht viel schneller.«
Hanlys großes geländegängiges Wohnmobil stand hinter einer Gruppe alter Harandriden in einem kleinen Park. Es war von der Straße aus nicht zu sehen.
»Hast du dir schon Gedanken gemacht, wo wir in Sicherheit sind?« erkundigte sich Frank. Inzwischen flüsterte auch er. Noch immer wanderten kleine Gruppen von Menschen durch die Vorstadt in Richtung Zentrum. Die meisten hätten wahrscheinlich jede Gelegenheit genutzt, um irgendwie zu verschwinden, und sie wären bestimmt nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel gewesen. Frank war beunruhigt über das Gefühl von Schuld und Hartherzigkeit, das sich in ihm ausbreitete. Wahrscheinlich war das normal für einen Mann, der nur noch sein Überleben und das seiner Familie im Sinn hatte.
»Nicht wirklich«, gestand Hanly. Er öffnete die Hecktür und bedeutete Frank einzusteigen. »Aber ich denke, wir schaffen es trotzdem irgendwie.«
Frank lächelte ihn ein wenig steif an und kletterte ins Wageninnere. Hinter ihm wurde die Tür so heftig ins Schloß geworfen, daß er zusammenzuckte. Im Innern herrschte tiefste Dunkelheit. »Hey, Hanly!« Keine Antwort. Er warf sich gegen die Tür, rüttelte am Griff, doch sie ließ sich nicht öffnen. »Hanly, was zur Hölle geht hier vor, Mann?«
Und dann hatte er das plötzliche, schreckliche Gefühl, daß er nicht allein war im Innern des Wohnmobils. Er erstarrte mit dem Rücken zum Innenraum. »Wer ist da?« flüsterte er.
»Nur wir, Boß. Angsthasen wie du.«
Frank wirbelte herum, als ein furchtbares grün-weißes Licht im Innern des Wohnmobils aufleuchtete. Es war so grell, daß Frank geblendet die Augen schließen mußte – doch nicht, bevor er die schlanken, wölfischen Kreaturen erblickt hatte, die sich in diesem Moment mit entblößten Fängen auf ihn stürzten.
Von seinem Sitz in der Befehlszentrale aus konnte Neville Latham die Menschenmenge auf der Straße hören. Sie erzeugte ein unangenehmes, an- und abschwellendes, bedrohliches Geräusch, das durch das gesamte Gebäude hallte und für jeden hörbar war.
Es war absurd und unvorstellbar! Ein Mob in Exnall! Und das, während er eine Ausgangssperre durchzusetzen versuchte. Gütiger Herr im Himmel!
»Sie müssen die Menge zerstreuen«, befahl Landon McCullock per Datavis. »Sie dürfen auf gar keinen Fall längere Zeit so dicht beieinander bleiben, das wäre eine Katastrophe!«
»Jawohl, Sir.« Wie denn? Am liebsten hätte er seinen Vorgesetzten angebrüllt. Ich habe nur noch fünf Beamte auf der Wache! »Wie lange noch bis zur Landung der Soldaten, Sir?«
»Ungefähr vier Minuten, Neville. Aber ich werde unter keinen Umständen zulassen, daß sie die Stadt betreten. Ihre Aufgabe besteht darin, einen Sicherheitskordon um Exnall zu legen. Ich muß schließlich an den gesamten Kontinent denken. Was sich in Exnall Bahn gebrochen hat, darf nicht aus der Stadt heraus.«
»Ich verstehe.« Neville warf einen Blick auf die AV-Projektorsäule seines Schreibtischs, die einen ständigen Lagebericht über die Vorgänge in der Stadt ausstrahlte. Der Beobachtungssatellit der strategischen Verteidigung lieferte nicht annähernd so viele Einzelheiten, wie Neville recht gewesen wären, doch die Zusammenfassung der allgemeinen Lage war genau genug.
Draußen vor der Polizeistation hatten sich ungefähr sechshundert Menschen versammelt, und noch immer trafen weitere Gruppen ein. Neville rang sich zu einer Entscheidung durch und öffnete per Datavis einen Kommunikationskanal zu jedem seiner Streifenfahrzeuge.
Jetzt war sowieso alles vorbei: Karriere, die Aussichten auf ein gemütliches Leben nach seiner Pensionierung, und wahrscheinlich würde er sogar seine Freunde verloren haben. Der Befehl, mit Schallwaffen auf die eigene Bevölkerung zu schießen, würde die Lage kaum noch weiter verschlimmern. Außerdem würde er ihnen damit letztlich helfen, auch wenn sie diese Tatsache niemals eingestehen würden.
Eben Pavitt war zehn Minuten zuvor bei der Polizeistation eingetroffen, und es war ihm immer noch nicht gelungen, sich bis zu den Türen vorzukämpfen, um seine Beschwerde vorzubringen. Nicht, daß es irgend etwas genutzt hätte, wenn er es geschafft hätte. Er konnte sehen, wie andere mit den Fäusten gegen die verschlossenen Türen hämmerten, ohne daß
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