Seelengesaenge
dringenden Nachricht aus dem tiefsten Schlaf gerissen worden, von einer gewissen O’Meara, von der er noch nie etwas gehört hatte. Der Inhalt der Nachricht hatte sich als paranoides Phantasiegespinst über irgendwelche Xeno-Eindringlinge und die Ausrufung des Kriegsrechts herausgestellt. Als er versucht hatte, sich deswegen mit der örtlichen Polizei in Verbindung zu setzen, hatte er nicht bis zum diensthabenden Beamten durchdringen können. Dann hatte er das Licht hinter der nächsten Tür bemerkt und per Datavis den alten Yardley angerufen, um zu sehen, ob der vielleicht wußte, was da vor sich ging. Der alte Yardley hatte die gleiche dringende Nachricht erhalten wie Frank, genau wie einige andere aus seiner Familie, und auch er hatte sich vergeblich bemüht, zur Polizei durchzukommen.
Frank wollte sich keine Blöße geben, indem er Panik zur Schau stellte, doch es war offensichtlich, daß irgend etwas Merkwürdiges im Gange war. Und plötzlich war das gesamte Kommunikationsnetz zusammengebrochen. Als Frank seinen Haushaltsprozessor eingeschaltet hatte, um einen Notrufkanal zur Polizei zu aktivieren, hatte er eine offizielle Botschaft im Speicher vorgefunden, in der Chief Inspector Neville Latham persönlich die Ausgangssperre verkündete, die Regeln festlegte und den Bürgern von Exnall versicherte, daß man sie alle früh am nächsten Morgen evakuieren würde. Jetzt war Frank wirklich besorgt. Er weckte seine kleine Familie auf und entschied, daß sie sich augenblicklich auf den Weg machen würden.
Der Prozessor seines Wagens weigerte sich, den Datavis-Befehl anzunehmen. Als Frank auf manuelle Kontrolle umschaltete, weigerte sich das Fahrzeug immer noch anzuspringen. Da entschied er, sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Er wollte einen Polizisten suchen und verlangen, daß man ihm mitteilte, was zur Hölle eigentlich los war. Das war wenige Minuten vor ein Uhr gewesen, bevor die Ausgangssperre tatsächlich in Kraft trat. Außerdem – Frank war ein loyaler Untertan des Königreichs, und er hatte jedes Recht, sich auf der Straße zu bewegen. Die Ausgangssperre galt unmöglich für jemanden wie ihn.
Eine Menge anderer Leute schienen die gleiche Idee gehabt zu haben. Jedenfalls marschierte eine ganze Reihe Menschen mit aufgrund der kühlen Nachtluft eingezogenen Schultern aus der stillen Wohnstadt die breite Straße hinunter in Richtung Stadtzentrum. Einige Bewohner hatten ihre Kinder bei sich, die verschlafen und mit quengelnden Piepsstimmen immer wieder fragten, was denn los sei. Rufe erschollen in der Menge, doch niemand kannte wirkliche Antworten.
Frank hörte, wie jemand seinen Namen rief, und dann sah er Hanly Nowell, der sich durch die Menge einen Weg in seine Richtung bahnte.
»Das ist vielleicht ein dickes Ding!« schimpfte Frank, als Hanly bei ihm war. Sie arbeiteten beide in der gleichen agrochemischen Fabrik; in verschiedenen Abteilungen zwar, aber sie hatten schon einige Nächte zusammen getrunken, und ihre Familien hatten sich auf verschiedenen Festen kennengelernt.
»Das ist mal sicher«, stimmte Hanly zu. Er wirkte irgendwie geistesabwesend. »Hat dein Wagen ebenfalls den Dienst verweigert?«
Frank nickte. Er war überrascht, daß Hanly so leise redete – fast, als hätte er Angst, belauscht zu werden. »Ja. Irgendein offizieller Kode hat den Prozessor blockiert. Ich hatte bis heute nicht die leiseste Ahnung, daß sie dazu imstande sind.«
»Ich auch nicht. Aber ich hab’ noch meinen vierradgetriebenen Geländewagen. Ich kann den Prozessor der Kiste austricksen und auf direkten manuellen Betrieb umschalten.«
Beide blieben stehen. Frank warf vorsichtig-mißtrauische Blicke auf die losen Menschengruppen, die an ihnen vorbeigingen.
»Ich hätte noch genügend Platz für dich und deine Familie«, sagte Hanly, als die letzten Nachzügler vorbei waren.
»Im Ernst?« Vielleicht lag es an den dichten schwarzen Schatten der Bäume, die verwirrende Bewegung im Halblicht der Straße erzeugten, doch Frank war überzeugt, daß Hanlys Gesicht irgendwie anders aussah. Hanly war ein Mensch, der stets zu grinsen schien, glücklich mit sich und seinem Leben. Nicht so in dieser Nacht.
Wahrscheinlich zerrt es auch an seinen Nerven.
»Hätte ich es dir sonst angeboten?« fragte Hanly großzügig.
»Gott, nein. Danke, Mann. Es ist nicht wegen mir, weißt du? Ich mache mir ziemliche Sorgen wegen meiner Frau und Tom.«
»Ich weiß.«
»Ich geh zurück und hol’ sie. Wir kommen dann zu dir,
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