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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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trotz eingehender weiterer Ermittlungen keine Hinweise auf einen anderen Täter ergeben. Mit Rücksicht auf die Beerdigung werden wir allerdings bis Montag warten. Ich darf mich doch auf Ihre Diskretion verlassen? Es wäre nämlich sehr dumm, wenn sich Herr Gruber aufgrund eines Tipps von Ihnen seiner Verhaftung entzöge. Ich würde das als Strafvereitelung werten, oder wie sehen Sie das? Es könnte Sie Ihre Zulassung kosten.«

    Clara blieb der Mund offen stehen. »Sie haben mich die ganze Geschichte erzählen lassen, obwohl Sie wussten, dass Sie Gruber ohnehin wieder verhaften?«
    Kommissarin Sommer zuckte nachlässig mit den Schultern und stand auf. »Wir wollen uns schließlich nicht nachsagen lassen, wir hätten kein offenes Ohr für unsere Strafverteidiger.«
     
    Unschlüssig stand Clara in der Fußgängerzone und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Der Besuch bei Kommissarin Sommer hatte sie vollkommen ausgebremst. Langsam trottete sie in Richtung Marienplatz, warf flüchtige Blicke in die grellen Schaufenster und kaufte sich wider besseres Wissen an einem amerikanischen Fast-Food-Pizzastand ein »Full-Size«-Stück Pizza Margherita mit »Extra-Cheese«. Vielleicht half es, etwas zu essen, um sich wieder zu beruhigen.
    »Diese karrieregeile Schnepfe nagelt Gruber ans Kreuz und zuckt dabei nicht mit einer Wimper!«, murmelte sie zwischen zwei Bissen und verzog das Gesicht. Extra-Cheese war doch etwas des Guten zu viel. Sie war sich so sicher gewesen, dass die Polizei angesichts der Dinge, die sie herausgefunden hatte, etwas unternehmen werde. Unternehmen musste. Doch sie hatte sich getäuscht. Sabine Sommer war gnadenlos, und Gruber fehlten Verbündete in der eigenen Abteilung. Dieser Kommissar Hertzner, mit dem Clara anfangs einmal am Telefon gesprochen hatte, schien Gruber zwar zu mögen, und er war, anders als Kommissarin Sommer, keineswegs von Grubers Schuld überzeugt gewesen, doch Leiterin dieser Ermittlung war nun einmal Sabine Sommer. Hinzu kam, dass sich Walter Gruber mit seiner ruppigen, wenig kollegialen Art in der Dienststelle wahrscheinlich nicht nur Freunde gemacht hatte und man ihm sicher auch seine Erfolge neidete. Clara
konnte sich gut vorstellen, dass es mit dem Betriebsklima in einem Morddezernat mit stressigen Arbeitszeiten und ständigem Erfolgsdruck nicht immer zum Besten bestellt war. Und dann kamen noch die betriebsinternen Hierarchien hinzu, kleine Eifersüchteleien, bewusste oder unbewusste Kränkungen, Intrigen …
    Clara seufzte. Es war bitter, aber wenn nicht ganz schnell irgendetwas passierte, würde Gruber am Montag wieder in Haft sein. Clara konnte ihre Argumente zwar in einem Schriftsatz vorbringen, aber nach Sabine Sommers Reaktion zweifelte sie, ob ihr die Richterin ein zweites Mal folgen würde. Und obwohl sie sich dagegen zu wehren versuchte, begann sie selbst ein wenig zu zweifeln. War es wirklich so logisch und folgerichtig, dass dieser Josef Gerlach, den sie ausfindig gemacht hatte, Papa Joke war und gleichzeitig auch der Mörder von Irmgard Gruber? Oder hatte diese unangenehme Kommissarin am Ende doch recht, und es waren alles nur Hirngespinste, zusammengeschustert aus Zufällen und Dingen, die gar nichts miteinander zu tun hatten? Sie blieb stehen, warf die halbaufgegessene Pizza in einen Mülleimer und wischte sich mit der Serviette die öligen Finger ab. Ihr war leicht übel. Konnte es sein, dass sie sich das Ganze nur zusammengereimt hatte, weil sie nicht wollte , dass Gruber seine Frau getötet hatte?
    Ihr Magen verkrampfte sich, und ihr war plötzlich sehr unbehaglich zumute. Es war möglich. Wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie zugeben, dass diese Möglichkeit durchaus bestand. Ihre ganze Theorie von Papa Joke, Gerlinde Ostmann und dem Besitzer des Modelleisenbahngeschäfts hatte nämlich einen ganz entscheidenden Schwachpunkt, den sie bisher immer verdrängt hatte und der sich jetzt mit aller Macht zu Wort meldete: Es gab noch immer kein Motiv für den Mord
an Irmgard Gruber. Nicht den Hauch eines Motivs. Weshalb sollte dieser Mann Irmgard Gruber umbringen? Es gab nicht einmal einen Hinweis darauf, dass sie sich tatsächlich gekannt hatten, bis auf die vage Vermutung von Clara, dass Irmgard Gruber bei ihm Geschenke für Wimbachers Neffen gekauft hatte, und nicht einmal das wusste sie sicher, nachdem dieser Vollidiot Adolf Wimbacher mit ihr nicht mehr hatte sprechen wollen. Und die Theorie von der Botschaft, die damit an Gruber gerichtet worden war, hatte

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