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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Schulter.
    Gruber warf ihm einen spöttischen Blick zu.
    »Auch kein Hundefreund, was?« Er hatte sein Gespräch mit Wimbacher inzwischen beendet.
    »Eigentlich schon, aber … sie ist ein bisschen groß, oder?« Mick schielte unsicher zu Elise hin. »Sie mag es außerdem nicht, wenn man schreit.«
    Gruber nickte, und seine Miene verfinsterte sich wieder. »Kluges Tier. Aber dieser Oberarsch von Wimbacher, diese Null …« Er hielt inne und wischte sich mit einer heftigen Bewegung über den Mund. »Clara hat anscheinend irgendwo diese Lok gefunden und vermutet, das wäre die Verbindung zwischen meiner Frau und dem Mörder. Sie wollte von Wimbacher etwas über die Geschenke wissen, die Irmi seinem Neffen gemacht hat. Doch Wimbacher hat sich geweigert, mit ihr zu sprechen. Er hat einfach aufgelegt, dieser Volltrottel.« Grubers Stimme wurde wieder lauter, und Mick warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »Scht! Was hat das denn alles zu bedeuten?«
    Gruber antwortete nicht. Er ließ sich auf Sabine Sommers Stuhl fallen und schlug die Akte auf. Eine weitere Klarsichthülle rutschte heraus und fiel auf den Boden. Gruber hob sie auf, musterte den Inhalt und erstarrte. Mit einem raschen Blick auf Mick schob er sie zurück zwischen die Seiten, nahm das Protokoll, das lose obenauf lag, und begann zu lesen. Als er fertig war, meinte er zu Mick: »Wir hatten recht. Clara hat herausgefunden, wer der Mörder ist. Sie hat hier alles zu Protokoll gegeben.«
    Micks Blick wanderte von der Modelleisenbahn zu dem Protokoll, das Gruber in den Händen hielt. »Und diese Kommissarin
ist jetzt unterwegs, um ihn zu verhaften?«, meinte er schließlich hoffnungsvoll. »Vielleicht ist Clara ja dabei, und sie hat einfach vergessen anzurufen.«
    Walter Gruber schüttelte den Kopf. »Nein. Kommissarin Sommer hat offenbar nur das Protokoll aufgenommen und ist nach Claras Besuch gleich wieder gegangen.«
    Mick starrte ihn an. »Was soll das heißen?«, fragte er tonlos.
    Gruber wich seinem Blick aus. »Sie hat ihr nicht geglaubt. Sie ist überzeugt, den Mörder längst gefunden zu haben: mich.«
    »Dann hat niemand etwas unternommen? Niemand hat Clara geholfen?«
    Die Stimme des Engländers war ruhig, aber Gruber konnte den fassungslosen Zorn hören, der sich hinter seiner scheinbaren Beherrschtheit verbarg. Er musterte den Mann nachdenklich und überlegte, ob er ihm sagen sollte, was er noch gefunden hatte: die beiden Todesanzeigen in der Klarsichthülle, die seiner Frau und die, die an Clara gerichtet war. Das war es, was Clara so bedrückt hatte. Aber warum hatte sie mit niemandem darüber gesprochen? Warum nicht einmal mit ihrem Freund? Wie eng war diese Freundschaft überhaupt?
    Gruber kniff die Augen zusammen, versuchte, den Mann einzuschätzen. Er wirkte jünger als Clara, war recht gutaussehend, soweit er das beurteilen konnte, aber weit davon entfernt, ein Schönling zu sein. Seine Haare waren ganz kurz geschnitten, und er trug eine alte, abgewetzte, mit Lammfell gefütterte Lederjacke. Seine langen Beine mündeten in schwarzen Stiefeln, und die Jeans war unten an den Kanten zerfranst. Was bedeutete er Clara? Vertraute sie ihm nicht? Oder warum sonst hatte sie ihm nicht davon erzählt?
    Mick nahm ihm die Entscheidung ab. »Spucken Sie’s aus«,
sagte er und räusperte sich. Seine Stimme war heiser vor unterdrückter Wut und Sorge. »Da ist doch noch etwas.«
    Gruber seufzte, dann nickte er und reichte Mick die Hülle mit dem Brief und dem Zeitungsausschnitt. »Das war offenbar der Grund für ihr verändertes Verhalten. Sie hat einen anonymen Brief bekommen.«
    Er wartete Micks Reaktion nicht ab, sondern fuhr hastig fort: »Sie hat Kommissarin Sommer die Adresse eines Modelleisenbahnladens genannt. Der Inhaber könnte … ähm … unser Mann sein. Wir müssen seine Privatadresse ausfindig machen.«
    Er unterbrach sich und sah Mick an. Der hatte ihn offenbar gar nicht gehört. Mit versteinerter Miene starrte er auf das Papier in seinen Händen. Sein Gesicht war kalkweiß, und seine Kieferknochen arbeiteten heftig. Gruber beugte sich vor. »Herr Hamilton. Alles in Ordnung?«
    Mick schüttelte den Kopf. Er sagte etwas auf Englisch, was Gruber nicht verstand, dann sprang er auf. Die Klarsichthülle fiel auf den Boden. »Sie ist nicht tot. Das kann nicht sein.«
    Nun schüttelte Gruber den Kopf. »Ich glaube auch nicht, dass sie tot ist«, sagte er langsam und spürte gleichzeitig das vertraute Kribbeln drohenden Unheils in seinem Nacken. »Aber

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