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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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dem Papierkorb unter dem Schreibtisch und leerte ihn aus. Gemeinsam untersuchten sie die zerknüllten Blätter, ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchten. Vergeblich.
    Mick stand auf. »In der Küche ist auch noch ein Abfalleimer.«
    Den halbvollen Mülleimer in der Küche brauchten sie nicht auszuleeren. Ganz obenauf lagen die zerschnittenen Reste einer Zeitungsseite. Die Zeitung war von Mittwoch, und Gruber sah sofort, was ausgeschnitten worden war: die Todesanzeige seiner Frau. Er starrte nachdenklich auf das leere Viereck.
    »Warum hat sie die ausgeschnitten?«, fragte er und sah sich um. »Gibt es hier eine Pinnwand?«

    Mick schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste.«
    Sie suchten trotzdem, öffneten noch einmal alle Schubladen mit Kleinkram und Papieren, aber die Todesanzeige war nicht zu finden. »Wahrscheinlich hat sie sie mitgenommen, wegen der Beerdigung«, vermutete Mick. »Damit sie die Uhrzeit nicht vergisst.«
    »Nein.« Gruber schüttelte den Kopf. »Die Beerdigung stand da gar nicht drauf.« Er verstummte und dachte einen Augenblick nach. »Ich habe sie deswegen extra angerufen, am Mittwochabend, und ihr den Tag und die Zeit gesagt. Wenn ich es mir jetzt überlege, war sie bei diesem Gespräch auch etwas seltsam. Fast so, als hätte sie einen anderen Anruf erwartet. Einen, vor dem sie sich fürchtete. Und als ich ihr von der Todesanzeige erzählt habe …«
    Er sah Mick beunruhigt an. »Sie hatte vor etwas Angst. Definitiv. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, meine Schwägerin war schon da, und wir hatten uns ohnehin für den nächsten Tag verabredet. Da war sie eigentlich wieder ganz normal.« Gruber setzte sich auf den Küchenstuhl und runzelte die Stirn. »Was kann es nur gewesen sein, was sie mir am Freitag sagen wollte? Sie hat auf meine Mailbox gesprochen und um Rückruf gebeten. Ich Trottel habe erst am nächsten Tag nachgeschaut,…«
    »Vielleicht ist sie zur Polizei?«, schlug Mick vor. »Die bearbeitet doch Ihren Fall. Und wenn Sie nicht zu erreichen waren …«
    Gruber verzog zweifelnd das Gesicht, doch er zückte sein Handy und tippte die Nummer seiner Dienststelle ein. Nach zwei kurzen Sätzen legte er wieder auf. »Wochenende«, knurrte er. »Keiner da, nur die Bereitschaft. Die Sommer kommt erst am Montag wieder. Sie hatte außerdem am Freitag frei.« Er sah Mick aufmerksam an. »Wenn Clara tatsächlich
zur Polizei gegangen ist und dort niemand war oder niemand etwas unternehmen wollte …«
    »… dann ist sie auf eigene Faust los!« Micks Miene wechselte von Besorgnis zu Bestürzung, als er aussprach, was beide dachten.
    Gruber steckte fluchend sein Handy zurück in seine Jackentasche. »Wir fahren ins Präsidium«, sagte er und ging hinaus.
    Mick warf einen hilflosen Blick auf Elise, die ihn treuherzig ansah und mit dem Schwanz wedelte. »Moment!«, rief er Gruber nach, der schon ungeduldig im Treppenhaus stand. »Wir haben jemanden vergessen.«
    Gruber seufzte. »Nehmen Sie sie mit! Aber schnell jetzt!«
    Mick suchte nach einer Leine, fand nichts und ergriff Elise vorsichtig am Halsband. »Wir werden schon klarkommen, oder?«
    Seit Elises Eifersuchtsattacke im letzten Jahr hatte sie zwar zunehmend Gefallen an Mick gefunden, doch das hatte seine Vorbehalte ihr gegenüber noch nicht ganz beseitigen können. Zumal jetzt Clara nicht da war, um notfalls einschreiten zu können, falls Elise sich das mit der Sympathie wieder anders überlegen sollte. Er atmete tief ein, streichelte Elise mit der freien Hand besänftigend über den Kopf und beeilte sich dann, Gruber zu folgen.
     
    Als sie im Präsidium ankamen, war es kurz vor elf. Der Pförtner und die Beamten der Bereitschaft musterten Gruber überrascht, und als er nach dem Besucherprotokoll fragte, versuchte einer der Beamten zu protestieren: »Walter«, begann er zögernd. »Du darfst nicht …«
    Aber Gruber schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab. »Willst du die Verantwortung dafür übernehmen,
dass ihr morgen eine weitere Leiche im Englischen Garten findet?«, schnauzte er den Beamten an. Er konnte hören, wie Mick hinter ihm bei dem Wort »Leiche« scharf die Luft einzog. Der Mann tat ihm leid, doch jetzt war keine Zeit für übertriebene Rücksichtnahme.
    Der Beamte zeigte sich von seinen Worten weniger beeindruckt. Er schüttelte den Kopf und meinte dann: »Sei doch vernünftig, Walter, und geh nach Hause. Die Sommer macht das schon …«
    Gruber ignorierte ihn und zog dem Pförtner, der hilflos

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