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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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wir müssen uns beeilen.«
    »Worauf warten Sie dann noch?« Jetzt war es Mick, der schrie, und prompt begann Elise zu bellen.
    Gruber hob die Hand. »Moment. Ich muss nachdenken.«
    Mick versuchte Claras Dogge zu beruhigen, der die angespannte Stimmung in dem Raum zu viel geworden war und die immer lauter und aufgeregter bellte. Es blieb Mick nichts anderes übrig, als sich wieder zu setzen. Er legte Elise beruhigend einen Arm auf den Rücken und streichelte sie. »Schsch«, murmelte er. »Schsch, alles wird gut. You will
see … everything’s fine … schsch …« Und tatsächlich hörte Elise nach einer Weile mit dem Bellen auf. Sie blieb jedoch aufmerksam, jede Faser ihres Körpers angespannt.
    In die plötzliche Stille hinein begann Gruber zu reden. »Ich werde jetzt einen Freund anrufen. Er ist Polizist wie ich und im Gegensatz zu mir nicht suspendiert. Er wird Kommissarin Sommer vertreten und alle nötigen Anweisungen geben.« Er sah Mick eindringlich an: »Wir werden Clara finden. Ganz sicher!«
    Mick antwortete nicht. Er hatte seinen Arm noch immer fest um den Hund gelegt, und es war nicht klar ersichtlich, wer hier wen beruhigte.
    Noch während Gruber sprach, wählte er Roland Hertzners Telefonnummer. Als sich dessen vertrauter Bass meldete, atmete er hörbar auf. »Roland, hier ist Walter Gruber. Du musst mir helfen.«

SECHSUNDZWANZIG
    Er kam nicht zurück. Clara wusste nicht, wie lange sie gesessen und gewartet hatte. Sie hatte versucht, sich für die nächste Begegnung zu wappnen, hatte sich Strategien zurechtgelegt, mit sich gehadert, war aufgestanden und an die Tür gegangen, um zu schreien und zu klopfen, um dann im letzten Moment innezuhalten, hatte eine Ewigkeit an der Tür gestanden, das Ohr an das alte Holz gepresst, und versucht, etwas zu hören. Irgendetwas. Dabei hatte sie die Tür näher in Augenschein genommen. Sie war alt und zerschrammt, und dort, wo die Klinke hätte sein sollen, war ein Loch, mit Spachtelmasse zugekleistert. Clara ging in die Knie und betrachtete die Stelle genauer: Sie war eindeutig alt, keinesfalls hatte Josef Gerlach die Klinke erst vor ein paar Tagen abgeschraubt. Claras Finger glitten über das unebene Holz und kratzten vorsichtig an der Masse. Sie war bröckelig und spröde. Man hatte sie vor Jahren dort angebracht.
    Vor Jahren.
    Das bedeutete, man hatte das Kind, das damals hier gewohnt hatte, eingesperrt. Clara fröstelte. Sie versuchte, sich Josef Gerlach als kleinen Jungen vorzustellen, wie er hier in dieser Kammer saß und wartete. Darauf, dass jemand kam. Darauf, dass sie ihn wieder hinausließen. Ihr wurde wieder leicht übel. Jetzt entdeckte sie auch andere Spuren an der Tür. Verstohlene, winzige Kratzspuren, vollkommen ungeeignet, um jemals die Tür aufbrechen zu können. Wie von
einem kleinen Tier. Sie liefen die Türkante entlang, unten an der Ecke waren sie deutlicher sichtbar, hier fehlte sogar ein kleines Stück Holz. Clara legte sich flach auf den Boden und versuchte, durch das winzige Loch zu schauen, das die abgebrochene Ecke freigab. Zunächst sah sie nur den Fußboden. Fliesenboden oder PVC, das konnte sie nicht genau erkennen. Sie zwinkerte und richtete sich wieder auf. Ihr Kopf dröhnte, und ihre Augen tränten.
    Doch sie erinnerte sich an etwas. Als er sie hierhergeschleppt hatte, waren sie im Dunkeln durch die Wohnung gegangen. Doch heute, als er sie auf die Toilette gebracht hatte, war es hell gewesen. Sie war noch zu benommen gewesen, um auf die Umgebung zu achten, war voller Furcht vor ihm hergestolpert, aber jetzt, jetzt begann sie, sich an Dinge zu erinnern. Zwei Türen auf beiden Seiten des Flurs und eine weitere Tür am Ende. Wo hatte sich die Toilette befunden? Sie kniff die Augen zusammen, versuchte, sich den Weg noch einmal vor Augen zu rufen. Es war die zweite Tür rechts gewesen. Plötzlich war sie sich ganz sicher. Sie malte mit den Fingern den ungefähren Grundriss der Wohnung auf den Boden. Das Zimmer, in dem sie sich befand, führte gar nicht direkt in den Flur, sondern … ja, in die Küche. Dort gab es eine Eckbank, Stühle und auf der anderen Seite Herd und Spüle. Sie starrte so angestrengt auf die unsichtbaren Linien auf dem Boden, als wären sie real. Womöglich war die erste Tür rechts das Bad. Und gegenüber Schlafzimmer und Wohnzimmer. Sie nickte. Ja. Das war eine logische Aufteilung. Dann musste sich die Haustür am anderen Ende des Flurs befinden. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, sich noch stärker zu

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