SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
richtig?“
„Nein! Das würde ich niemals tun. Dass die Menschen uns vergessen, lässt sich nicht vermeiden. Es liegt in unserer Natur und dient eurem Schutz. Erleichtert unsere Aufgabe.“ Sollte es zumindest, solange es funktionierte.
„Warum vergesse ich dich dann nicht?“
„Das … weiß ich nicht.“ Noch nicht . „Es ist ungewöhnlich, genauso wie deine … Gabe.“
„Du denkst, dass es eine Gabe ist?“ Selenes schmale Augenbrauen senkten sich.
„Einen Taryk töten zu können ist eine Gabe – besonders für eine Sterbliche wie dich.“ Vielleicht sollte er in der Geschichte doch ein bisschen weiter ausholen.
„Ich will niemanden töten und schon gar nicht die Gabe dazu haben!“
„Ein Taryk ist kein Lebewesen, sondern nur eine Hülle aus schwarzem Rauch. Er bemächtigt sich fremder Seelen – so etwas darf nicht leben!“
„Ja, das mag ja sein. Trotzdem ist es keine Gabe, jemanden oder etwas zu töten.“
Wie man einem Monster gegenüber so viel Nächstenliebe zeigen konnte, war ihm unbegreiflich. Hatte sie sich doch erst vor wenigen Minuten noch in der Gewalt eines solchen befunden. Aber es würde keinen Sinn ergeben, darüber zu diskutieren. Ob Selene nun wollte oder nicht, Roven hoffte, dass beim nächsten Mal, wenn ein Taryk versuchte, ihre Seele zu stehlen, genau dasselbe passierte.
„Du hast recht“, lenkte er ein. „Manchmal vergesse ich, dass es für euch Menschen Wichtigeres als den Tod gibt.“
Ihre Augenbrauen schnellten nach oben. „Wenn es in deinem Leben nur den Tod gibt, dann … ist das sehr traurig.“
Er wich Selenes Blick aus und versuchte, an etwas anderes zu denken. Ihre Worte trafen ihn. Doch gleichsam offenbarte sie etwas von sich selbst.
Und ohne Vorwarnung stellte Selene die Frage, die Roven eigentlich erst viel, viel später beantworten wollte – um sie zu schützen und ihr keine Angst zu machen.
„Wovon ernährst du dich?“
„Wie kommst du darauf, dass es einen Unterschied zu dir gibt?“ Rovens Worte klangen härter als gewollt. Das konnte sie doch unmöglich ahnen.
„Ich … habe das Gefühl, dass du … mein Blut willst.“ Sie flüsterte nur noch. Doch es genügte, um Rovens Glied anschwellen zu lassen.
Sein Augeninnendruck stieg. Die Kehle trocknete aus – in Sehnsucht nach ihrem honigsüßen Lebenssaft. Selene registrierte es nicht. „Keine Ahnung, wie ich darauf komme“, zweifelte sie.
Zu spät. Sie hatte seine Sinne geweckt.
Roven hörte ihr Herz schlagen und das Blut durch die Venen rauschen, als hätte es Angst vor ihm. Er konnte sehen, wie es in ihrer Halsschlagader pulsierte. Seine Fänge drückten von innen gegen die Lippen. Als er das weiße Aufleuchten seiner Iriskreise nicht mehr unterdrücken konnte, keuchte Selene erschrocken. Rovens Stimmbänder streckten sich aufs Äußerste. Er klang nicht mehr menschlich.
„Wenn du weißt, dass du einem Raubtier gegenüber sitzt, solltest du es nicht daran erinnern, dass du seine Beute bist!“
Kapitel 11
Roven stürmte aus dem Zimmer und stieß die Flügeltüren mit einem Scheppern ins Schloss.
Was er vorgab zu sein, konnte Selenes Verstand nicht verarbeiten. Was sie gesehen hatte, wollten ihre Augen leugnen. Doch was sie dabei spürte, ließ sich aus ihrem Herzen nicht verbannen. Er löste ein solches Gefühlschaos in ihr aus, dass Selene fürchtete, nur noch in seinen Armen zur Ruhe zu kommen. Rovens Nähe brachte ihren Organismus durcheinander, verdrängte den gesunden Menschenverstand und arbeitete sich in ihr Herz – ohne Unterlass, ohne Gegenwehr. Selene konnte es nicht leugnen. Sie wollte ihn – so sehr, dass sie fürchtete, sich selbst dabei aufzugeben. Sie sehnte sich danach, umarmt zu werden und unter seiner köstlichen Last in Ohnmacht zu fallen.
Es hätte ihr Angst einjagen sollen, dass er einer anderen Art abstammte. Aber das tat es nicht. Sie gierte nach mehr, wollte alles von ihm – egal ob gut oder böse.
Ich sehne nicht ihn, sondern den Tod herbei …
Selene schüttelte den Gedanken ab. Sie konnte ihre Lage nicht ändern, also würde sie sich damit zurechtfinden. Nichts währte ewig.
Noch leicht benommen sprang sie vom Bett, ging zu den nachtblauen Vorhängen hinüber und schob den schweren Stoff zur Seite. Mondlicht hüllte das Tal in milchigen Nebel und zauberte eine schaurige Atmosphäre auf die Oberflächen der Weiden, Lochs und Berge. Die schottischen Highlands bei Nacht – atemberaubend.
Selene öffnete die Balkontür und trat hinaus. Im Norden
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