SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Heimat wieder ein. Die Bilder des verdrängten Traumes kehrten nach und nach zurück und spiegelten ihre Erinnerungen als Realität wieder. Auf der letzten Stufe hielt sie an und erkannte das Mosaik zu ihren Füßen. Das ist nicht möglich!
Das Bildnis dieser Bestie glich ihrem Traum mit erschreckender Genauigkeit. Wie ein handgefertigtes Puzzle aus goldenen und blauen Steinen zeigte es eben jenen gehörnten Löwen, von dem Selene damals geträumt hatte – prächtig, stark, unsterblich.
„Das ist Ishtar“, hörte sie Jason sagen, der sich im Torbogen zum Raum nach links umgedreht hatte. Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und sah sie prüfend an.
„Die babylonische Göttin?“ Selene streichelte über die Steine und hatte das Gefühl, sie könnte ihre Macht fühlen.
„Ja, genau. Hat Roven dir von ihr erzählt?“
„Er sagte nur, dass die Akkadier ihre Nachkommen sind. Sie ist wunderschön.“
Jason schnaufte. „Ja, aber sie kann auch ziemlich angsteinflößend sein.“
Selene erhob sich, ging am Eingangstor vorbei und schaute durch eines der Fenster auf die schottische Landschaft und ihre schlafenden Täler. Und als sie sich geistesgegenwärtig umdrehte und nach oben blickte, entdeckte sie den alten Kronleuchter, der majestätisch über der Halle prangte.
„Selene?“
„Äh, ja ich komme.“
Sie eilte durch den Torbogen in einen kleinen Verbindungsraum, der mit einer Couch und ein paar antiken Bücherregalen geschmückt war und weiter durch zwei offenstehende Flügeltüren, die zum Essenssaal führten. In der Mitte des Raumes stand ein opulenter Mahagonitisch, acht Stühle angereiht, und links durch die Tür ging es in eine hochmoderne Küche.
„Selene, das ist mein Grandpa“, strahlte Jason.
Ein älterer Mann drehte sich von der Küchenzeile herum und lächelte überrascht.
„Oh, Besuch … Und ich erfahre es wie immer als Letzter.“ Jasons Großvater trocknete sich die Hände an seiner Schürze, kam auf sie zu und verbeugte sich. „Es freut mich sehr, Gnädigste. Mein Name ist Adam. Ich bin der Butler, und, nun ja, auch das Mädchen für alles.“ Sein Lächeln verzog die Haut des Gesichtes zu unzähligen Lachfalten.
Selene erwiderte mit einem Kopfnicken. „Die Freude ist ganz meinerseits, Adam.“
„Selene, richtig? Nun, ihr zwei seht hungrig aus. Was darf ich euch anbieten?“ Adam drehte sich zurück, ging um den Tresen herum und öffnete den Kühlschrank.
„Oh, ich will keine Umstände machen …“
„Um Himmels willen“, rief er und wirbelte wieder herum. „Es wäre mir eine Ehre. Wissen Sie, Madame, es ist das erste Mal, dass wir hier auf Avenstone menschlichen Besuch haben.“
„Grandpa!“
„Ach, Jason, sieh sie dir an. Sie ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie wird sehr wohl wissen, dass nicht alle Bewohners Avenstones Menschen sind.“ Adam lächelte verschmitzt. „Was halten Sie von Pfannkuchen, meine Liebe?“
„Das wäre fantastisch“, gab Selene zu.
„Hmm, lecker. Pfannkuchen gab es schon lange nicht mehr.“
Jason setzte sich auf einen der ledernen Barhocker und klopfte einladend auf den Stuhl neben sich. Selene nahm Platz.
„Wird Roven mit uns essen?“ Die Frage entfuhr ihr, gab es doch in diesem Moment nur eine Sache, die ihr fehlte.
„Nein, ich glaub, der hat erst mal genug für heute“, lachte Jason.
Genug für heute? Er hatte sich heute von Blut ernährt – hatte erst vor kurzem einen Menschen gebissen?
Ihre Gedanken schweiften ab …
Zwei erhitzte Körper, die sich im Austausch von nährendem Blut aneinanderschmiegten, in Gier und Hunger übereinander herfielen, den Puls des anderen in den eigenen Venen spürend. Als ihr die Röte ins Gesicht stieg, zwang sie sich zur Konzentration.
„Wie kann er die Menschen beschützen, wenn er sie als Nahrung verwendet?“
Jason verschluckte sich an seiner Milch.
„Äh, na ja …“ Er begann mit seinem rechten Bein zu wippen, schaute zu Adam und zurück zu ihr. „Weißt du … wenn Akkadier Blut trinken, dann töten sie den Menschen ja nicht. Das dürfen sie nicht. Und sollte das auch nur ein einziges Mal passieren, würden sie damit ihr eigenes Todesurteil unterschreiben.“
„Oh. Und der Blutwirt vergisst ihn …“
„Genau.“
„Warum passiert euch das nicht?“
„Das liegt in der Familie. Es gibt ein paar Blutlinien, die eine bestimmte Anomalie aufweisen. Uns ist es vorherbestimmt, für die Akkadier zu arbeiten.“
„Könnte ich so etwas auch haben?“
„In diese
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