SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
sein Abbild.
Sein dunkelblondes Haar hatte einen beinahe weißen Farbton angenommen und reichte ihm nur noch bis ans Kinn. Sein Gesicht besaß kantige und wesentlich kräftigere Linien. Und die Augen wirkten nicht mehr grau wie früher, sondern strahlten so blau, wie es wohl nur Edelsteine vermochten. So gut hatte er noch nie ausgesehen. Von der Körpergröße und den Muskelsträngen, die sich über seinen Leib zogen, ganz abgesehen.
„Wie ich sehe, gefällt dir dein neuer Körper“, lächelte Jolina hinter ihm. Er überragte selbst die Halbgöttin. Doch Roven bezweifelte, dass er annähernd ihre Stärke besaß. Sie war von einer flirrenden Aura umgeben und könnte ihn sicherlich, ohne zu zwinkern, in die Knie zwingen.
„Warum ich? “ , fragte er und sah Jolina durch den Spiegel hindurch an.
„Du trägst seit deiner Geburt als Mensch die Seele eines Hirten, eines Akkadiers in dir. Nur solch eine Seele vermag es, eine akkadische Bestie zum Leben zu erwecken, wenn du stirbst. Doch sich mit diesem Tier im Seelenband zu einigen, gelingt leider nicht jedem deiner Art. Dir ist es erfreulicherweise geglückt. Eure Seelen haben einander akzeptiert. Doch wisse, dass du niemals schwach werden darfst. Denn nur der Stärkere von euch beiden kann den Körper beherrschen. Solltest du versagen und sie gewinnen lassen, seid ihr eine Gefahr für die Menschheit. Denk also immer daran, wen du beschützen musst und mache es auch deinem Tier deutlich. Deine Aufgabe darfst du niemals in Frage stellen.“
„Und doch soll ich ihr Blut trinken.“
Das Kinn erhoben betrachtete Jolina ihn mit festem Blick. „Ohne Leben kann kein toter Körper existieren, selbst dann nicht, wenn er zwei Seelen beherbergt. Für welche Variante du dich entscheidest , ob Menschenblut oder das eines anderen Akkadiers, ist dir überlassen. Nähren kannst du dich von beidem . Doch leben wirst du nur, solange du keine dieser Existenzen auslöschst. Sei gewarnt! Beachtest du diese Regel nicht, werde ich dir deine Bestie entreißen und beide Seelen sterben. Ohne einander ist Leben nicht mehr möglich. Vergiss das bitte nie!“
Roven drehte sich herum und erwiderte ihren warnenden Blick mit einem Kopfnicken.
„Trägst du auch eine Bestie in dir?“
„Du solltest sie bereits kennengelernt haben.“ Jolinas Lachen klang in seinen Ohren, wie warme Schokolade schmeckte. „Zumindest gewann ich den Eindruck, ihr Blut hätte dir gemundet.“
„Das warst du?“, keuchte Roven. Er hatte von ihr … getrunken? „Es tut mir leid, das wollte ich nicht.“
Doch sie schmunzelte nur. „Keine Sorge, Krieger. Ohne mein Blut hättest du nicht überlebt. Es ermöglichte dir die Wandlung. Nur das heilige Blut eines Ahnen bewahrt das Tier davor, deine Seele nach der Verschmelzung zu verzehren.“
„Verstehe.“ Roven nickte und sah an seinem Körper hinab. „Kann ich eigentlich etwas zum Anziehen bekommen oder laufe ich fortan nur noch nackt herum?“
Jolinas Lachen im Gedächtnis atmete der Akkadier tief durch, versteckte seine Erektion und drängte die Fangzähne zurück. Du schaffst das! Reiß dich zusammen!
Doch im Schlafzimmer holte der Duft ihrer Erregung Roven zurück in die Realität. Er machte einen Bogen um das Bett und lehnte sich mit verschränkten Armen an die gegenüberliegende Wand. Es war Zeit für ein Gespräch. Und Roven würde es ohne erneuten Kontrollverlust hinter sich bringen, zumindest in der Theorie.
Als er aufschaute und das engelsgleiche Geschöpf auf seinem Bett sitzen sah, schlich sich ein Gefühl von Zufriedenheit in sein Herz. Er verdrängte es. Der Akkadier konzentrierte sich auf das, was er sagen wollte. Doch sie kam ihm zuvor.
„Du hast nichts getan, was ich nicht wollte.“ Selene lächelte verlegen. „Und, ähm, deinen Namen würde ich wirklich gern erfahren.“
Ihre Ehrlichkeit nahm ihm den Wind aus den Segeln. Als ob es so einfach wäre – Sterbliche durften nichts von Akkadiern, Taryk oder Göttern erfahren. Eigentlich. Roven war versucht, eine Ausnahme zu machen. Selene musste jemand Besonderes sein. Nicht ohne Grund hatte ihr Gedächtnis die Täuschung überwunden. Und Roven sollte außerdem herausfinden, wie der Taryk verendet war. Ob es etwas mit ihr zu tun hatte. Somit war es von Vorteil, sie hierzubehalten. Genau!
Selene seinen Namen zu nennen, würde es real werden lassen. Er scheute sich davor. Akkadier waren – zumindest unter den Sterblichen – namenlose Wesen. In der Realität existierten sie nicht. Es
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