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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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erbärmlich und hilflos, weil er ihre Tränen nicht trocknen konnte. Er wünschte, er hätte sie geküsst, als sie beide noch eine menschliche Gestalt hatten.
    »Wo ist Rasputins Geist?«, fragte Alexis.
    »Hier bei uns«, antwortete Calder.
    »Er braucht ein Grab.« Alexis kniete sich hin, doch Ana war sich nicht so sicher. »Wir werden ihn nicht ohne ein Begräbnis hier zurücklassen«, sagte der Junge bestimmt.
    Wieder fühlte sich Calder wie ein Dummkopf – er hätte es vorhersehen und ein Grab ausheben müssen, als er noch einen Körper besaß.
    »Wir haben keine Schaufel«, sagte Ana. »Keiner von uns kann weit genug laufen, um eine zu suchen, erst recht nicht können wir den Körper mehr als zehn Schritte tragen.«
    »Wir benutzen, was wir hier haben«, sagte Alexis.
    Rasputins Seele schwebte dicht bei ihm, während Calder neben Ana herging, die Zweige und Laub herantrug sowie zwei Äste zum Graben, so dick wie ihr Handgelenk. Calder blieb dicht bei ihr und hätte nur zu gern mitgeholfen. Die Kinder arbeiteten auf den Knien, schabten mit den Ästen die Erde aus dem Waldboden, bis sie ein flaches Grab angelegt hatten. Sie zogen den Körper in das Loch und schoben Erde und Zweige darüber. Mehr konnten sie nicht tun. Zum Schluss legten sie Laub wie Rosenblätter darauf. Alexis bohrte noch ein kleines, tiefes Loch, in das er die beiden mit einer Efeuranke zum Kreuz gebundenen Äste stellte – Rasputin nahe neben sich. Calder sprach den siebten Psalm, »Die sanfte Überfahrt«, Ana und Alexis, deren gefaltete Hände braun von Erde waren, beteten mit ihm.
    Etwas daran ließ ihn schwach werden. Calder kniete sich an den Fuß des Grabes, blickte darüber hinweg in das Herz der waldigen Dunkelheit. Zum ersten Mal kam ihm ein Gedanke. »Wir haben die Kinder gerettet«, sagte er laut.
    »Welche Kinder?«, fragte Alexis.
    »Ja«, sagte Ana. »Vor dem Feuer.«
    Hinter dem Grab bemerkte Calder etwas Seltsames. Das behelfsmäßige Kreuz und die Lücke zwischen den Bäumen bildeten einen gebogenen Türrahmen. Es ähnelte so sehr einer wirklichen Tür, dass er glaubte, einen winzigen silbernen Punkt zu sehen, auf halber Höhe einer Seite, in Größe und Form einem Schlüsselloch ähnelnd. Der Wind zerzauste ihm das Haar und ließ den Schlüssel um seinen Hals baumeln. Der Schlüssel erhob sich nun sogar, schwebte zitternd in der Luft und wies auf die Illusion einer Tür.
    »Wunderschön«, sagte Rasputin, der jetzt dicht bei Calder stand. »Warum ist sie so anders als die, durch die wir damals gingen?«
    Ich bin nicht der Einzige, der diese Vision sieht,
dachte Calder. Ana und Alexis blickten auch in die Richtung.
    »Calder?« Anas Stimme schwankte zwischen Angst und Freude. Sie streckte eine Hand nach ihm aus, auch wenn er sie nicht ergreifen konnte.
    »Warte.« Er ging bis hinter das Behelfskreuz und hatte immer noch das Kreuz vor sich, das sich in Zinn verwandelte und die Glasscheiben in einer hohen Kirschholztür verband.
    Ohne Zweifel war das hier eine echte Todestür und keine Illusion. Als er den schwebenden Schlüssel nahm, fühlte er, wie dieser zur Tür gezogen wurde, und als er die Treppen zu ihr hinaufstieg, glitt der Schlüssel auf das kleine, feste Licht in Form eines Schlüssellochs zu.
    »Beeilt euch!« Er musste die Aufforderung nicht wiederholen. Im nächsten Moment standen alle an seiner Seite, und Ana versuchte, ihn zu umarmen. Ihre Arme glitten mit aufflackernder Sehnsucht durch ihn hindurch.
    »Bleibt dicht bei mir«, sagte Calder. Anas Augen fragten ihn stumm, ob das ihr letzter gemeinsamer Augenblick war. »Bleib dicht bei mir«, flüsterte er noch einmal. Er drehte den Schlüssel im Schloss, die Tür öffnete sich.
    Anas Hand materialisierte sich wundersamerweise in seiner, als sie aus der Welt der Lebenden heraustrat. Sie brannte auch nicht länger vor Fieber, wofür Calder ein stummes Dankesgebet sprach. Er blickte ein letztes Mal auf den Ort zurück, den sie gerade verlassen hatten: ein schlichtes Grab mit einem Bewohner, den hier niemand vermuten würde. Im Gegensatz zu Rasputin hatten Ana und Alexis die Passage als Besondere betreten – sie hinterließen weder Knochen noch Gräber.
    Wie damals, als er in die Welt der Lebenden eingetreten war, erzitterte das Universum in einem donnernden Schlag, als Calder sein Zuhause wieder betrat. Der Wind brauste durch die Baumwipfel, die Tür knirschte, und die Dunkelheit hinter der Schwelle stöhnte. Die sie umgebenden Bäume brachen kreischend

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