Seelenkuss / Roman
großen Hund, der an seiner Leine riss. Der Captain hatte aus ihrem vorherigen Kampf gelernt und seine Taktik angepasst. Ein gewöhnliches Portal konnte diesen Dämon nicht einfangen, doch mit der zusätzlichen Stärke der Wachen auf der anderen Seite und Holly Carver neben ihm formte Reynard dieses Portal zu einem Vakuum. Sie konnten den Dämon nicht niederschlagen, aber ihre vereinte Magie würde die Kreatur dorthin zurücksaugen, wo sie hingehörte.
Wenn dies gelang, würde niemand mehr verletzt und kein weiterer Grundbesitz zerstört. Was nicht bedeutete, dass es einfach würde.
Reynard richtete all sein Denken auf den Zauber. Kraft rauschte durch ihn hindurch, eine tosende Flut, die sich von Zauberei und Hexenkunst nährte. Sein Leib bestand bloß aus Fleisch und Knochen, nicht ausreichend, all das zu fassen, aber sein Hexenmeisterblut lenkte die Magie wie einen Docht in Öl. Brutal, aber wirksam.
Brennender Schmerz war die Folge. Er jagte einem bösen Dorn gleich durch seine sämtlichen Nervenbahnen. Es wurde schlimmer, weil der Dämon sich sträubte, so dass Reynard jeden Schlag, jede Verdrehung der Kreatur wie einen bohrenden Stich spürte. In dem Moment, in dem der Dämon erschöpft zusammensank, hörte es auf. Reynard kam sich vor wie ein ausgehöhlter, trockener Schwamm, eine Ansammlung von Membranen, die ein Nichts umhüllten.
Und dann nahm der Dämon abermals den Kampf auf.
Vage bemerkte Reynard, dass ihm vom Schweiß die Kleidung an der Haut haftete. Er sank auf ein Knie und stützte sich ab.
Ich bin ein Wächter. Ich bin eine Waffe.
Die Dämonenstimme drang in seinen Kopf.
Lass mich gehen! Nimm deine Seele, aber lass mich frei!
Reynard antwortete nicht, denn er weigerte sich, seine Gedanken auch nur für einen winzigen Moment in eine andere Richtung zu lenken.
Ich begehre doch nur einige wenige Dinge, die mir Vergnügen bereiten. Ist das so schrecklich? Ein paar Töpfe und Pfannen? Einige Bücher? Diese Welt hat so viel, da kann sie doch gewiss das wenige entbehren.
Der Dämon reckte sich vor, schnappte mit seinem Schnabel, schlug mit den Flügeln, um seinen Schatz im fleckigen Schatten zu verbergen. Reynard brüllte vor Pein, ließ seinen Schmerz heraus, ehe er ihm den Verstand raubte. Der Dämon bäumte sich auf und peitschte mit seinen riesigen Flügeln.
Freiheit! Du willst sie doch auch! Ich kann die bittere Galle deiner Sehnsucht in deinen Gedanken schmecken!
Das war Reynards Schwäche, seine Achillesferse. Egal, was er erreichte, wie viele Leben er rettete: Er war für immer an das Elend der Burg gekettet. Ganz gleich, wie diese Schlacht endete, es gäbe weder eine freudenreiche Zukunft noch Heldentriumph.
Folglich hatte er keinen Grund, sich zu schonen.
Pflicht, Würde und Tod.
Über Jahrhunderte hatten Reue und Wut in Reynard gegärt, und nun konnte er sie nutzen. Zornig schleuderte er alle Kraft, die er aufbrachte, gegen die Kreatur.
Holly und die anderen strengten sich an, Reynards Angriff mit derselben Wucht zu unterstützen. Er hämmerte auf den Dämon ein. Seine Rage verlieh ihm Kraft.
Die Attacke drängte, schob und trieb den dunklen Schatten in das Portal. Reynard spürte, wie die Magie der anderen Wachen ihre Klauen in den Dämon versenkte. Doch die Kreatur wollte ihre gehorteten Schätze nicht aufgeben. Sie stürzte sich noch ein letztes Mal vorwärts, verzweifelt nach ihrer Habe greifend. Ihre Gier nach den Objekten hielt sie ebenso erbarmungslos gefangen, wie Reynard von seinem Fluch gefesselt war.
Die Magie zerriss gleich einem überdehnten Gummiband. Energie schnellte zurück, knallte in den Dämon und zerschmetterte ihn. Eine Explosion krachte durch das leere Geschäft, bei der die Stapel von Lampen, Spielzeugen, Filmen und allem anderen gegen die Wände geschleudert wurden.
Reynard, der Wächter, und alle anderen flogen durch die Luft. Das Letzte, woran Reynard sich erinnerte, war, dass der gleißende Schmerz endlich aufhörte, während er mit dem Dämon in die Burg zurückgesaugt wurde.
Ashe streckte ihre Arme vor, so dass sie mit der Schubkraft des Energieschwalls geradewegs auf die Urne und das Leben darin zuflog.
[home]
24
A she sprang auf und hämmerte an die Wand, in der sich das Portal befunden hatte – wo eben noch Reynard gewesen war.
»Reynard! Mac!« Mit der flachen Hand klatschte sie auf die weiße Ladenwand. »Lasst mich rein!«
Sie hielt einen Moment inne, die Urne in ihren Armen. Das Herz tat ihr weh. Ihr Bauch tat ihr weh. Alles an ihr
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