Seelennacht
hinzugehen. Ich habe gesagt, wenn das«, eine Handbewegung zu der Leiche hin, »ein Problem wäre, dann würden wir uns einen anderen Ort suchen.«
»Und ich war der Ansicht, dass es kein Problem sein würde, solange ich keine Geister beschwöre.«
»Hast du aber.«
»Ich habe
geschlafen,
Derek.«
»Und was geträumt?«
Ich verstummte, als es mir wieder einfiel.
»Du hast geträumt, du würdest ihn beschwören, richtig?«
»Ich hatte nicht vor … Normale Leute haben ihre Träume nicht unter Kontrolle, Derek. Wenn du sie kontrollieren kannst, dann bist du wohl einfach klüger als wir anderen.«
»Natürlich kann ich das nicht. Aber es war echt ein übler Anblick, du und eine Leiche in unmittelbarer Nähe. Das hättest du von dem Kriechkeller her wissen müssen.«
Ich hatte es gewusst, vor allem nach der Sache mit den Fledermäusen. Instinktiv hatte ich gewusst, dass ich nicht hätte hierbleiben sollen, aber ich hatte nicht das Rückgrat gehabt, meine Befürchtungen einzugestehen. Ich hatte Angst gehabt, schwach zu wirken. Angst davor, dass Tori sich über mich lustig machen würde, dass ich Derek ärgern und Simon enttäuschen würde. Ich hatte versucht, stark zu sein, und hatte mich stattdessen dumm verhalten.
Jetzt hätte ich den Fehler gern zugegeben und Derek von den Fledermäusen erzählt. Aber als ich seinen Gesichtsausdruck sah – diese Arroganz, die mir mitteilte, dass er recht gehabt hatte und ich ein dummer kleiner Trottel war – dachte ich nicht mehr daran, auch nur
irgendwas
einzugestehen.
»Alles in Ordnung?« Simon war hinter Derek erschienen und versuchte, an Derek vorbeizuschielen.
»Es … er ist weg«, sagte ich. »Der Geist.«
»Gut, weil ich nämlich glaube, ich höre jemanden näher kommen.«
»Und wann hattest du vor, uns das zu sagen?«, blaffte Derek.
»Ich hatte jedenfalls nicht vor, hier reinzuplatzen und Chloe zu unterbrechen.« Er wandte sich an mich. »Alles okay mit dir?«
»Natürlich ist mit ihr alles okay.« Tori tauchte hinter Simon auf. »Sie ist schließlich diejenige, die dieses Ding beschworen hat. Sie sollte eher fragen, ob mit
uns
alles okay ist, nachdem sie uns mitten in der Nacht aufgeweckt und uns einen Riesenschreck eingejagt hat.«
»Du warst jedenfalls nicht zu erschrocken, um nicht deine Haarbürste mitzunehmen«, konterte Simon.
»Als Waffe, okay? Ich …«
Ich schob mich zwischen sie. »Hat jemand erwähnt, dass wir hier gerade in Gefahr sind, entdeckt zu werden? Nehmen wir unser Zeug und verschwinden.«
»Gibst du jetzt schon Befehle, Chloe?«, stichelte Tori.
»Nein, ich mache Vorschläge. Wenn du sie lieber ignorieren willst, ist das in Ordnung. Bleib hier und erklär dem Nächsten, der reinkommt, diese Leiche.«
»Ja«, sagte eine Stimme hinter mir. »Vielleicht solltest du das erklären, Kleine.«
Eine Gestalt stand am anderen Ende des Raums. In der Dunkelheit war nur ihr Umriss zu erkennen. Ich drehte mich zu den anderen um, aber keiner von ihnen hatte sich bewegt. Sie sahen mich an.
»Chloe?«, fragte Simon.
Ein Mann trat aus dem Schatten. Sein langes Haar war von wenigen grauen Strähnen durchzogen, aber sein Gesicht war so zerfurcht, dass er achtzig hätte sein können. Mein Blick fiel auf sein Sweatshirt, auf dem das Emblem der Buffalo Bruins prangte. Dann sah ich auf das Skelett auf dem Fußboden hinunter, es lag so weit zur Seite gedreht, dass ich das gleiche Emblem erkennen konnte, auf dem zerlumpten Sweatshirt fast bis zur Unkenntlichkeit ausgeblichen.
»Chloe?«, fragte der Mann. »So heißt du also, kleine Göre?«
»E-es tut mir leid«, sagte ich. »Ich hatte nicht vor, Sie zu beschwören.«
Simon stellte sich vor mich. »Sehen Sie mal, Geist, ich weiß, dass Sie mich hören können. Es war ein Unfall, sonst nichts.«
Der Mann trat durch Simon hindurch auf mich zu. Ich wich mit einem Aufschrei zurück. Simon fuhr herum, aber Derek riss ihn aus dem Weg.
»Mit wem redet Chloe?«, wollte Tori wissen.
»Dem Geist, den sie beschworen hat«, antwortete Simon.
»Nehmt eure Rucksäcke«, sagte Derek. »Wir müssen raus hier.«
Während Simon und Tori verschwanden, folgte Derek meiner Blickrichtung, um herauszufinden, wo der Geist stand. »Sie hatte nicht vor, Sie zu beschwören. Sie hat sich entschuldigt, und wir gehen jetzt, es wird nicht noch mal passieren. Sie können in Ihr Jenseits zurückgehen.«
Der Geist kam mit langen Schritten näher und starrte ihn an. »Hast du vor, mich zu zwingen?«
»Das kann er nicht«,
Weitere Kostenlose Bücher