Seelennacht
vorschlagen, als er sagte: »Wir haben so ziemlich überall in dem Bundesstaat gelebt außer hier. Geht nicht. Es gibt … andere hier.«
»Andere?«
Er senkte die Stimme. »Werwölfe.«
»In Syracuse?«
»In der Umgebung. Ein Rudel.«
»Oh.«
War das die Lebensweise von Werwölfen? In Rudeln, wie bei Wölfen? Ich hätte gern nachgefragt, aber ich hatte Angst, er würde glauben, dass ich mich über ihn lustig machte.
Also fragte ich stattdessen: »Und das ist das Problem? Dass sie dich wittern könnten?«
»Ja.« Er zögerte und fügte dann widerwillig hinzu: »Wir sind sehr revierfixiert.«
»Oh.«
»Yeah.«
Er sah immer noch zum Fenster hinaus. Ich sah das Spiegelbild seiner Augen in der Scheibe, ruhig und abwesend, in Gedanken verloren, die er offensichtlich nicht mit mir teilen wollte. Ich machte Anstalten aufzustehen.
»Als ich ein Kind war«, sagte er, ohne mich anzusehen, »als ich in dem Laden gelebt habe, wo sie dich eingesperrt haben – die anderen waren auch so. Revierfixiert.«
Ich setzte mich wieder hin. »Die anderen Werw …« Eine ältere Frau kam den Mittelgang entlang in unsere Richtung, und ich sagte stattdessen: »Versuchspersonen?«
»Hm.« Jetzt drehte er sich zu mir um. »Sie hatten ihr Rudel, ich nehme mal an, so sollte man es nennen, und sie haben Sachen für sich beansprucht, den Sandkasten zum Beispiel, als ihr Territorium, und wenn …«
Sein Kinn hob sich, sein Blick glitt zum Vordereingang des Busses hin.
»Da kommt Simon«, sagte er. »Sucht nach dir. Geh lieber.«
Ich wollte sagen, dass das schon okay war, dass ich gern mehr hören wollte. Gelegenheiten, etwas Persönliches über Derek zu erfahren, waren dünn gesät, aber diese war bereits vorbei.
»Geh nur«, sagte er. »Sitzt den Rest der Fahrt zusammen.«
»Ist schon okay …«
»Im Ernst, ich …«
»Chloe?« Er fing meinen Blick auf. »Geh einfach.« Seine Stimme wurde weicher. »Okay?«
Ich nickte und ging.
Ich schlief ein und träumte von Derek – von dem, was er erzählt hatte, was die Quasi-Dämonin über ihn gesagt hatte, von den anderen werwölfischen Versuchspersonen. Ich träumte von Tante Lauren in dem Forschungszentrum, wo ich sie hatte sagen hören, sie wollte Derek eingeschläfert sehen wie einen tollwütigen Hund, und von Brady, der erzählt hatte, wie Tante Lauren ihn zu der Behauptung hatte bewegen wollen, Derek sei an ihrem Streit schuld gewesen.
Die Erinnerungen und Bilder wirbelten durcheinander, bis ich spürte, wie jemand mich an der Schulter schüttelte. Ich wachte auf und stellte fest, dass der Bus auf einem Rasthof stand. Derek stand im Mittelgang und lehnte sich über Simon hinweg, der neben mir schlief.
Ich wollte gerade fragen, was los war, als ich Derek ins Gesicht sah, und dann wusste ich es. Seine Augen glitzerten, seine Haut glänzte vor Schweiß, das Haar klebte an ihr. Ich spürte die Hitze seiner Hand durch mein T-Shirt hindurch.
Ich richtete mich hastig auf. »Du …«
»Yeah«, flüsterte er. »Wir sind bei Albany. Zwischenhalt. Ich muss aussteigen.«
Ich streckte die Hand aus, um Simon zu wecken, aber Derek hielt mich davon ab. »Ich wollte dir bloß Bescheid sagen, falls ich nicht rechtzeitig zurück bin. Ich komme klar. Wir treffen uns bei Andrew.«
Ich griff nach Sweatshirt und Jacke. »Ich komme mit.«
Ich war mir sicher, dass er widersprechen würde, aber er nickte nur, das Gesicht abgewandt, und murmelte: »Hm. Okay.«
»Geh schon vor«, sagte ich. »Ich rede mit …«
Ich sah Simon an, aber Derek brauchte mir nicht zu sagen, dass ich ihn nicht wecken sollte. Viel besser war es, mit der Person zu reden, die mit Sicherheit nicht darauf bestehen würde, mit uns zu kommen – Tori. Also erledigte ich das und rannte dann hinter Derek her.
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28
I ch holte Derek am Rand eines Waldstücks hinter dem Tankstellengebäude ein.
»Ich muss so weit wie möglich da rein«, sagte er. »Bleib hinter mir, es ist matschig.«
Ich konnte den Regen riechen, seine feuchte Kälte hing noch in der Nachtluft. Tote und verrottende Blätter rutschten unter meinen Schuhsohlen weg. Irgendwo bellte ein Hund. Derek blieb stehen, ermittelte die Richtung, aus der das Geräusch kam, und nickte. Offenbar war es weit genug entfernt. Dann ging er weiter.
»Wenn ich das hier durchziehe«, begann er, »wenn es so aussieht, als wäre ich auch nur im Begriff, es zu Ende zu bringen, dann musst du abhauen.«
Als ich nicht antwortete, sagte er: »Chloe …«
»Du wirst
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