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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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paar Jahren hab ich mir meine von einer Freundin blond färben lassen. War fast genauso schlimm. Die Haare haben sich angefühlt wie Stroh, und …«
    Und so kam es, dass Tori und ich über Horrorhaar-Geschichten zueinanderfanden. Wir legten unsere Differenzen bei, und als wir endlich im Bus saßen, lackierten wir uns gegenseitig die Fingernägel.
    Na ja, nicht wirklich.
    Tori versuchte, mich aufzuheitern. In ihren Augen schien diese Situation mehr Mitgefühl zu rechtfertigen als diejenige, in der ein toter Körper an mir hinaufgekrochen war. Aber je näher wir dem Busbahnhof kamen, desto mehr kippte ihre Stimmung, während zugleich eine Diskussion über unsere Finanzen aufkam – wie viel hatten wir, was würden die Busfahrkarten kosten, sollte ich es riskieren, noch einmal meine Karte zu verwenden …
    Ich versuchte es bei dem nächsten Geldautomaten, an dem wir vorbeikamen. Derek dachte, es wäre ungefährlich – wenn sie glaubten, dass wir noch in Buffalo waren, umso besser. Vor allem, weil wir die Stadt ja gerade verließen. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass meine Karte angenommen werden würde. Sie wurde es. So sehr überrascht war ich nicht. Die Bank oder die Polizei mochte meinem Vater geraten haben, die Karte sperren zu lassen, aber er würde mir nicht meine einzige Geldquelle nehmen wollen, selbst wenn er glaubte, dass er mich auf diese Weise zum Nachhausekommen zwingen könnte.
    Diese Überlegung führte natürlich dazu, dass ich an meinen Vater dachte und daran, wie viele Sorgen er sich machen musste und was er gerade durchmachte. Ich wünschte mir so sehnlich, mich auf irgendeine Weise mit ihm in Verbindung setzen zu können, aber zugleich wusste ich, es war unmöglich. Und so konnte ich nichts weiter tun, als an ihn zu denken und an Tante Lauren zu denken und mich dabei fürchterlich zu fühlen.
    Um mich von den Gedanken an meine Familie abzulenken, versuchte ich, mich auf meine Gefährten zu konzentrieren. Ich wusste, es machte Tori zu schaffen, dass sie kein Geld hatte. Also versuchte ich, ihr zweihundert Dollar zu geben. Was ein Fehler war. Sie ging auf mich los, und bis wir es schließlich zum Busbahnhof geschafft hatten, redeten wir nicht mehr miteinander.
    Simon und Tori kauften die Karten. Ich fragte mich, ob sie irgendwelche blöden Bemerkungen zu hören bekommen würden – alleinreisende Teenager, die einfache Fahrkarten nach New York City verlangten –, aber niemand sagte etwas. Also schienen wir wohl alt genug zu sein, um alleine unterwegs zu sein.
    Nicht, dass
ich
jemals allein gereist wäre. Nicht mal mit einem innerstädtischen Bus. Was mich daran erinnerte, mit wem ich normalerweise fuhr – Tante Lauren oder Dad. Als ich versuchte, mir keine Sorgen um sie zu machen, führte das nur dazu, dass mir noch eine andere Person einfiel, die ich zurückließ: Liz.
    Liz hatte gesagt, sie würde mich finden, aber ich war mir sicher, sie hatte damit »in Buffalo« gemeint. Wie lang würde sie nach mir suchen? Konnte ich sie beschwören, auch ohne dass ich ihr grünes Kapuzenshirt hatte? Aus einer Entfernung von Hunderten von Meilen? Ich würde mir wirklich Mühe geben müssen, und das war nicht ungefährlich.
    Vielleicht würde sie weitergehen in das Jenseits, das auf sie wartete? Wahrscheinlich wäre es gut, wenn sie es täte. Aber bei dem Gedanken, sie vielleicht nie wiederzusehen, stürzte meine Stimmung auf einen Punkt noch unterhalb von Toris Laune ab, und als der Bus schließlich kam, war sie so schwarz wie meine frisch gefärbten Haare.
    Simon war verschwunden, um Getränke für die Fahrt zu besorgen, und Tori war schon zur Tür hinaus. Als ich mich abmühte, meinen Rucksack auf den Rücken zu hieven, packte Derek ihn und warf ihn sich über die Schulter, was nett gewesen wäre, wenn ich nicht gewusst hätte, dass es ihm einfach nicht schnell genug ging.
    »Hör auf zu schmollen«, sagte er, als er neben mir herging. »Es sind bloß Haare.«
    »Das ist nicht …«, begann ich und brach ab. Wozu die Mühe?
    Simon kam angetrabt und stellte sich zu uns in die Schlange der Reisenden. Er streckte mir eine Dose Cola hin.
    »Alles okay?«
    »Hab einfach an meinen Dad und Liz gedacht. Ich wünschte, ich hätte ihnen sagen können, dass wir wegmüssen.«
    Derek beugte sich zu meinem Ohr hinunter. »Lächeln, okay?«, flüsterte er. »Du siehst aus, als würdest du gerade gekidnappt, die Leute starren schon.«
    Ich sah mich um. Kein Mensch achtete auf uns. Simon schob sich an

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