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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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nickte. Er hielt den Kopf gesenkt, das Gesicht abgewandt, aber ich sah die Veränderungen trotzdem, die schmaleren Schläfen, das kürzere Haar, die Spitzen seiner Ohren, die sich am Schädel nach oben zu verlagern schienen.
    Ich massierte ihm geistesabwesend den Rücken und hielt dann inne. »Soll ich aufhören? Weggehen und dich in Frieden lassen?«
    Er schüttelte den Kopf, während er gleichzeitig nach Atem rang. Rücken und Flanken wogten. Ich rieb die Stelle zwischen den Schultern. Seine Haut hatte aufgehört, sich zu kräuseln, und seine Wirbelsäule ragte weniger hervor. Aber seine Schultern kamen mir anders vor. Anders zueinander gestellt, mit dicken, knotigen Muskeln, fast wie Buckel. Das Haar fühlte sich beinahe wie Pelz an, wie bei dem Husky meiner Freundin Kara, eine Schicht aus grobem Deckhaar und weicheres Haar darunter.
    Derek hatte gesagt, Werwölfe verwandelten sich in richtige Wölfe. Mir war es schwergefallen, das zu glauben. Ich hatte gelesen, der Grund dafür, dass der »Wolfsmann«-Typ in den frühen Hollywoodfilmen so beliebt gewesen war, sei genau dieser gewesen – die Probleme, die es mit sich brachte, wenn ein Mensch sich auf der Leinwand in einen Wolf verwandeln sollte. Wenn sie es mit Make-up, Tricks und Prothesen nicht geschafft hatten, dann war es doch mit Sicherheit auch unmöglich für den menschlichen Körper, die Verwandlung zu bewältigen? Aber als ich Derek ansah, zitternd und keuchend und halbwegs durch die Wandlung, wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte. Ich schaffte es – trotz lebhaftester Fantasie – nach wie vor nicht ganz, wirklich zu begreifen, was ich da sah. Aber dass er sich in einen Wolf verwandelte – daran bestand kein Zweifel.
    »Es scheint wieder aufgehört zu haben«, sagte ich.
    Er nickte.
    »Das war’s dann wahrscheinlich. Vorläufig geht es bis hierher und nicht …«
    Sein Körper erstarrte. Die Muskeln unter meiner Hand begannen sich wieder zu bewegen, langsam diesmal, als hätten sie sich beruhigt, schickten sich an, die Veränderungen rückgängig zu machen …
    Sein Rücken schoss nach oben, die Glieder streckten sich, der Kopf fiel nach vorn, und dann kam das … Geräusch – ein entsetzliches Knacken und Prasseln wie von brechenden Knochen. Sein Kopf flog nach hinten, und das Prasseln wurde von einem unmenschlichen Heulen übertönt. Sein Kopf schwenkte von einer Seite zur anderen, und jetzt sah ich das Gesicht, Nase und Kiefer zu einer Schnauze nach vorn geschoben, den dicken Hals, die flache Stirn, die schwarzen Lippen, die sich nach oben zogen und zu Reißzähnen verlängerte Zähne freigaben.
    Ein Auge fing meinen Blick auf, und das besinnungslose Entsetzen darin vertrieb meine eigene Panik. Ich hatte keine Angst. Ich durfte nicht in Panik geraten. Ich durfte es nicht noch schlimmer machen. Also hielt ich seinen Blick fest, ohne zu zwinkern, und hörte nicht auf, seinen Rücken zu reiben.
    Ein paar Sekunden später entspannten sich die Muskeln unter meiner Hand wieder, und er wurde still. Nur die mühsamen Atemzüge durchbrachen die Stille, ein Geräusch, das mehr tierisch als menschlich war. Sein Rücken hob und senkte sich weiter unter den Atemzügen. Dann schüttelte ihn der nächste Krampf durch, und ich war mir sicher, dass dies jetzt der Abschluss sein musste, dass die Wandlung zu Ende gehen würde. Stattdessen wurde der Pelz unter meinen Fingern wieder kürzer. Derek zuckte wieder, würgte, Speichelfäden troffen ihm von den Lefzen. Er schüttelte sie ab und drehte den Kopf weg.
    Eine Minute lang hustete und würgte er, während er am ganzen Körper zitterte. Dann rutschten ihm Arme und Beine weg, langsam, als könnten sie sein Gewicht nicht mehr tragen, und er brach zusammen, keuchend und zitternd, der Pelz jetzt ein Schatten aus kurzen dunklen Stoppeln, der Körper beinahe wieder menschlich. Nur der dickere Nacken und die Schultern waren geblieben.
    Noch ein tiefer zitternder Seufzer, dann wälzte er sich auf die Seite, zu mir gewandt, die Beine angezogen, eine Hand vor dem Gesicht, während die Rückverwandlung zum Abschluss kam. Ich kauerte auf dem Boden und versuchte, meine Zähne am Klappern zu hindern. Derek schloss eine Hand um meinen nackten Knöchel, dort, wo die Socke in meinen Turnschuh hineingerutscht war.
    »Du zitterst ja.«
    Mir war nicht kalt. Das Schaudern und die Gänsehaut hatten wohl mehr mit meinen Nerven zu tun, aber ich sagte: »Ein bisschen vielleicht.«
    Er verlagerte sein Gewicht, griff dann nach

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