Seelenprinz
etwas erklären zu müssen. Stell dir vor, du bist bei McDonalds für die Burger zuständig. Würdest du dem Kerl an der Fritteuse davon erzählen? Und wenn deine Antwort Nein lautet, dann halt verdammt noch mal den Mund.«
Qhuinn sah wieder auf die Windschutzscheibe. Er überlegte ernsthaft, ob er sie mit dem Gesicht durchschlagen sollte. » John, fahr bitte seitlich ran.«
John warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Dann schüttelte er den Kopf.
» John, fahr verdammt noch mal seitlich ran. Oder ich erledige das für dich.«
Qhuinn war sich vage bewusst, dass sich seine Brust hektisch hob und senkte und er die Hände zu Fäusten geballt hatte.
» Fahr jetzt endlich seitlich ran und bleib stehen!«, brüllte er und schlug so heftig auf das Armaturenbrett, dass eine Lüftungsklappe durch die Luft flog.
Der Abschleppwagen schoss auf den Seitenrand zu, und die Bremsen quietschten, als sie langsamer wurden. Aber Qhuinn war bereits draußen. Er hatte sich dematerialisiert und war durch den Spalt im Fenster entkommen, zusammen mit Blays frustriert ausgestoßener Rauchwolke.
Unmittelbar danach nahm er am Straßenrand Gestalt an, viel zu aufgewühlt, um den molekularen Zustand zu erhalten. Dann stapfte er los durch den Schnee. Sein Bewegungsdrang erstickte alles andere, auch den brennenden Schmerz in den Knöcheln seiner Hände.
Irgendwo im Hinterkopf ging eine Meldung zu diesem Straßenabschnitt ein, doch in seinem Schädel lärmte es derart laut, dass sie nicht in sein Bewusstsein vordrang.
Er hatte keine Ahnung, wo er hinging.
Mann, war das kalt.
Im Abschleppwagen stierte Blay auf das glimmende Ende seiner Zigarette. Der kleine orange Punkt hüpfte hin und her wie ein Glühwürmchen auf Speed.
Vermutlich zitterte seine Hand.
Neben ihm ertönte ein lauter Pfiff. John versuchte offensichtlich, seine Aufmerksamkeit zu erlangen, aber er achtete nicht darauf. Deshalb wurde er nun in den Arm geknufft.
Ungute Lage, in der Qhuinn da steckt , gebärdete John.
» Soll das ein Scherz sein?«, knurrte Blay. » Er wollte sich doch immer konventionell verbinden, und jetzt hat er eine Auserwählte aufgerissen– besser konnte es für ihn doch gar nicht…«
Nein, hier. John deutete nach draußen. Die Straße.
Blay folgte dem Fingerzeig, einfach nur, weil er zu müde war, sich zu streiten. Die Scheinwerfer des Abschleppwagens beleuchteten die schneebedeckte Landschaft, blendend weiß, und die Gestalt, die am Straßenrand entlanglief wie ein Schattenwurf.
Rote Blutstropfen leuchteten auf den Fußspuren.
Qhuinns Hände bluteten von dem Schlag aufs Armaturenbrett…
Mit einem Mal erstarrte Blay. Er richtete sich auf.
Wie bei einem Puzzle fügten sich die einzelnen Teile ihrer Umgebung plötzlich ineinander, die Kurve, die die Straße beschrieb, die Bäume am Straßenrand, die Steinmauer neben ihnen.
» Scheiße.« Blay rammte den Kopf rückwärts gegen die Nackenlehne. Dann schloss er kurz die Augen und suchte nach einer Alternative, um nicht da rausgehen zu müssen.
Doch ihm fiel keine ein.
Als er die Tür aufstieß, strömte die Kälte ins warme Innere der Fahrerkabine. Er sagte kein Wort zu John. Überflüssig. Aktionen wie jemandem im Schneetreiben nachzulaufen erklärten sich von selbst.
Draußen holte er tief Luft und stapfte los. Die Straße war geräumt worden, aber das war schon eine Weile her.
Also musste er schnell handeln.
In einer reichen Gegend wie hier, wo die Steuerbemessungsgrundlage so beeindruckend wie die Rasenflächen waren, schickte die Gemeinde sicher noch vor der Dämmerung einen ihrer hausgroßen Schneepflüge vorbei.
Sie konnten keine menschlichen Zeugen gebrauchen. Insbesondere nicht mit den zwei bluttriefenden Leichen im Hummer.
» Qhuinn«, sagte er rau. » Qhuinn, bleib stehen.«
Er hob die Stimme nicht, dazu fehlte ihm einfach die Kraft. Diese… Sache, was immer es war zwischen ihnen, war schon seit Langem nur noch anstrengend– und eine Konfrontation am Straßenrand hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt.
» Qhuinn. Im Ernst.«
Zumindest wurde der Bruder ein bisschen langsamer. Und mit etwas Glück war er so wütend, dass er gar nicht registrierte, wo sie sich eigentlich befanden.
Mann, es war einfach nicht zu fassen, dachte Blay und sah sich um. Sie waren nur ein paar hundert Meter vor der Stelle entfernt, an der die Ehrengarde ihr Werk vollbracht hatte– und an der Qhuinn fast an den Folgen der Schläge gestorben wäre.
Blay erinnerte sich nur zu gut, wie er sich in jener
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