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Seelenprinz

Seelenprinz

Titel: Seelenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. Ward
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jedoch keine Augen, in die er blicken hätte können, keine Gesichter– und dafür gab es einen Grund: Die unidentifizierbaren Angreifer sollten dem Sünder das Gefühl vermitteln, von der gesamten Gesellschaft geächtet zu werden.
    Sie umkreisten ihn und kamen immer näher… letztlich würden sie ihn niederschlagen, aber vorher würde er ihnen wehtun.
    Und das tat er.
    Aber auch in dem anderen Punkt sollte er recht behalten: Nachdem er sich eine gefühlte Stunde lang zur Wehr gesetzt hatte, lag er schließlich auf dem Rücken, und da ging der Spaß erst richtig los. Er krümmte sich auf dem Asphalt und schützte, so gut es ging, Kopf und Weichteile, während die Schläge auf ihn niederprasselten. Die schwarzen Roben bewegten sich wie Krähenflügel, als sie wieder und wieder auf ihn eindroschen.
    Nach einer Weile spürte er keinen Schmerz mehr.
    Er würde sterben, hier am Straßenrand.
    » Halt! Wir sollen ihn nicht umbringen!«
    Die Stimme seines Bruders drang zu ihm durch und traf ihn auf eine Art, wie es die Schläge nicht mehr vermochten…
    Mit einem Aufschrei fuhr Qhuinn aus dem Schlaf, riss die Arme vors Gesicht und zog die Oberschenkel an, um seine Lenden zu schützen .
    Keine Fäuste, keine Prügel gingen auf ihn nieder.
    Und er lag nicht am Straßenrand.
    Er ließ ein paar Lampen aufleuchten und sah sich in dem Zimmer um, in dem er wohnte, seit ihn seine Familie verstoßen hatte. Es passte überhaupt nicht zu ihm, die Seidentapeten und die Antiquitäten hätten von seiner Mutter stammen können– und doch, in diesem Moment wirkte der Anblick dieses ganzen alten Krempels, den er nicht ausgesucht und aufgestellt hatte, beruhigend auf ihn.
    Selbst als die Erinnerung anhielt.
    Himmel, die Stimme seines Bruders.
    Sein eigener Bruder hatte zu der Ehrengarde gehört, die man nach ihm geschickt hatte. Damit hatte seine Familie eine deutliche Botschaft an die Glymera gesandt, wie ernst sie diese Angelegenheit nahm– und sein Bruder war durchaus trainiert. Er war in den Kampfkünsten unterrichtet, obwohl er selbstverständlich nie kämpfen durfte. Himmel, selbst das Sparring wurde ihm nur selten gestattet.
    Dafür war er zu kostbar. Eine Verletzung konnte sich der Stammhalter der Familie nicht leisten, schließlich sollte er irgendwann in Daddys Fußstapfen treten und Leahdyre des Rates werden.
    Deshalb war die Gefahr einer Verletzung für die Familie inakzeptabel.
    Qhuinn hingegen? Bevor man ihn verstieß, hatte man ihn ins Ausbildungsprogramm gesteckt, vielleicht in der Hoffnung, dass er im Einsatz tödlich verwundet wurde und den Anstand besaß, sein Leben im Dienst für die Allgemeinheit auszuhauchen.
    Halt! Wir sollen ihn nicht umbringen!
    Es war das letzte Mal gewesen, dass er die Stimme seines Bruders gehört hatte. Kurz nachdem Qhuinn zu Hause rausgeflogen war, hatte die Gesellschaft der Lesser mit ihren Plünderungen begonnen und alle abgeschlachtet, Vater, Mutter, Schwester– und Luchas.
    Alle waren sie weg. Und obwohl er sie immer gehasst hatte für alles, was sie ihm angetan hatten, wünschte er niemandem einen solchen Tod.
    Qhuinn rieb sich das Gesicht.
    Zeit zu duschen. Das war alles, was er wusste.
    Er stand auf und streckte sich, bis sein Rücken krachte, dann sah er auf sein Handy. Eine Sammel- SMS kündete ein Meeting in Wraths Arbeitszimmer an– und ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass ihm kaum noch Zeit blieb.
    Doch das war gar nicht schlecht. Als er auf Betriebsmodus schaltete und ins Bad eilte, war er erleichtert, sich auf die Wirklichkeit konzentrieren zu können statt auf die bescheuerte Vergangenheit.
    Letztere konnte er nur verfluchen. Und das hatte er im Laufe seines Lebens wirklich schon oft genug getan.
    Zeit zum Aufwachen, dachte er.
    Es gab viel zu tun.

13
    Ungefähr zur selben Zeit, als Qhuinn im Haupthaus duschte, erwachte Blay in seinem Sessel in dem kleinen unterirdischen Büro. Der Brummschädel, der ihm als Wecker diente, rührte nicht vom Portwein – sondern daher, dass er das Letzte Mahl verpasst hatte. Dabei wünschte er, der Alkohol wäre für das Pochen unter seiner Schädeldecke verantwortlich. Es wäre eine gute Ausrede gewesen, wäre er im Vollrausch hier unten eingelaufen.
    Fluchend hob er die Beine vom Tisch und setzte sich auf. Er war steif wie ein Brett, und mehrere Stellen begannen zu schmerzen, als er die Lichter kraft seines Willens aufleuchten ließ.
    Mist, er war noch immer nackt.
    Aber was hatte er erwartet? Dass die Anstandsfee hereinschlich

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