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Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Oliver
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Stockwerke hoch und in einem hellen Pfirsichton gestrichen. An jedem Fenster hingen Vorhänge, und auf der Treppe, die zur Eingangstür führte, standen Blumentöpfe mit Stiefmütterchen. Irgendwie schafften sie es, im winterlichen Frost zu überleben.
    Riley sortierte zum bestimmt fünften Mal ihre Haare und Kleider. Zumindest passte ihr die schwarze Jeansjacke, die sie ganz hinten in ihrem Schrank gefunden hatte. Sie hatte ganz vergessen, dass sie dort war, bis ihre blaue Jacke angekokelt, zerfetzt und bepisst worden war. Auf Schwarz waren die Flecken wenigstens nicht so gut zu erkennen.
    Sie hatte Simons Eltern bereits kennengelernt, so dass das hier eigentlich keine große Sache sein sollte.
Aber das ist es
. Sie war zum ersten Mal bei ihnen zu Hause, das erste Mal, dass sie Simon besuchte, seit er das Krankenhaus verlassen hatte. Würde es ihm bessergehen, jetzt, wo er zu Hause war?
    Es muss ihm bessergehen
. Sie vergegenwärtigte sich, wie Simon vor dem Brand gewesen war, bevor er so schwer verletzt worden war. Dachte an das warme Lächeln, die liebevollen Küsse. Das war es, was sie mehr als alles andere wollte.
    Mrs Adler öffnete die Tür. Sie trug eine Jogginghose und ein ausgeleiertes Bon-Jovi-T-Shirt. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, und auf ihrer Stirn glitzerte Schweiß. Riley hatte es geschafft, sie mitten beim Fitnesstraining zu stören.
    »Möchtest du den Blondschopf besuchen?«, fragte sie.
    »Wenn es okay ist.«
    »Sicher. Er hatte schon ein paar Besucher, aber er braucht auf jeden Fall Gesellschaft.« Sie winkte Riley ins Haus. Der Eingangsbereich war mit Keramikplatten gefliest, und an beiden Wänden hingen Familienfotos. Bei einer so großen Familie wie den Adlers nahmen sie fast die gesamte Wandfläche ein.
    Riley folgte der Frau durch einen Raum, der das Wohnzimmer zu sein schien, in ein kleineres Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Die Sonnenblenden waren heruntergelassen und tauchten den Raum in eine kerkerähnliche Dunkelheit. Riley erkannte einen Flachbildfernseher und ein paar Sessel von der Sorte, in die man einsank und nie wieder herauskam. Simon lag auf einem Ledersofa.
    »Du hast Besuch«, rief seine Mutter. Sie ließ Riley in der Türöffnung stehen und verschwand wieder im vorderen Bereich des Hauses.
    Riley schlenderte zur Couch, setzte sich neben ihren Freund und stellte die Botentasche auf dem Boden ab. Simon trug eine Jogginghose und ein langärmliges T-Shirt. Das Holzkreuz, das er immer getragen hatte, war verschwunden. Hatte er es im Tabernakel verloren? In den Händen hielt er einen Rosenkranz, den er hin und her drehte wie Gebetsperlen.
    »Riley.« So, wie er ihren Namen aussprach, schien er keinerlei Bedeutung für ihn zu haben. Kein »Mensch, schön, dass du da bist« oder irgendetwas Persönliches. Es war hohl, nicht mehr als ein Wort.
    »Wie geht’s dir?«, fragte sie und versuchte zu ergründen, wo er im Moment mit seinen Gedanken war. Wenn er noch in derselben miesen Stimmung war wie gestern Abend, konnte sie nur wenig für ihn tun.
    »Ich bin zu Hause.« Wieder dieser nichtssagende Tonfall, als spielte es keine Rolle, wo er sich befand.
    Riley ergriff seine Hand und drückte sie. »Simon, komm schon. Was geht in dir vor? Sprich mit mir!«
    Seine dunkelblauen Augen trafen ihren Blick. »Ich bin mir nicht sicher, was los ist.«
    »Kannst du nicht schlafen?« Ein Nicken. »Albträume?«
    Simon wirkte überrascht, dass sie das wusste. »Ich sehe die Dämonen und das Blut und spüre die Flammen …« Unablässig rieb er eine der Rosenkranzperlen zwischen den Fingern. »Mein Dad sagt, dass es besser werden wird und dass der Verstand auf diese Weise das Geschehene verarbeitet.«
    »Er hat recht. Was machen deine Verletzungen?«
    »Fast abgeheilt. Die Ärzte wissen nicht, was sie davon halten sollen. So etwas haben sie nie zuvor gesehen.«
    Darauf würde ich wetten. Es sei denn, Engel machten regelmäßig Krankenhausbesuche.
    Simon drückte ihre Hand fester und ließ sie anschließend los. »Ich wusste, dass ich sterben würde. Ich fühlte es. Ich hatte keine Angst, ich war nur traurig«, sagte er. »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.«
    »Schon bald bist du wieder gesund, und dann fangen wir ein paar von diesen Dämonen. Denen werden wir was erzählen!«
    Sie erwartete die politisch korrekte Version von »Zum Teufel, verdammt, lass uns ein paar von diesen Dämonen in den Arsch treten«. Doch es kam keine Antwort. Simons Finger

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