Seelenraub
anzustarren und seine Plastikzähne zu zeigen. Kopfschüttelnd ging Riley um ihn herum.
Als sie weitergingen, fragte Peter: »Äh, was war das denn?«
»Das ist unser Möchtegern-Vampir. Er trinkt rote Brause und benutzt die ganze Zeit das majestätische Wir. Er ist völlig harmlos. Ignorier ihn einfach.«
Peter sah sich auf dem Friedhof um. »Könnte schwierig werden«, sagte er und deutete in eine Richtung.
Der Junge huschte zwischen den Grabsteinen hindurch, versteckte sich hinter Bäumen und den größeren Grabmalen. Hier und da lugte er hinter einem steinernen Obelisken oder Engel hervor.
»Was hat er gegen dich?«, fragte ihr Freund.
»Er glaubt, ich würde Vampire jagen. Ich habe ihm erklärt, dass ich nur Dämonen fange, aber er glaubt mir nicht. Er will sich irgendwie unbedingt als Opfer sehen.«
Peter warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Korrigier mich, falls ich mich irre, aber das entspricht doch absolut nicht dem normalen Betriebssystem von Vampiren. Sie sind keine Opfer.«
»Erzähl ihm das.«
»Wie heißt er?«
Riley zuckte die Achseln. »Ich hatte Angst, ihn zu fragen.«
Aus den Augenwinkeln sah sie ihren Vampir-Stalker über einen Grabstein stolpern und kopfüber in den Dreck fallen, samt falschen Zähnen und dem ganzen Schnickschnack.
Warum ich?
Einen Vater zu haben, der total auf die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs abfuhr, hatte zur Folge, dass Riley öfter auf diesem Teil des Oakland-Friedhofs gewesen war, als sie zählen konnte. Bei einem Besuch des Familienmausoleums hatte ihr Vater stets eine Ausrede gefunden, um einen Abstecher zu den Gräbern der Konföderierten zu machen.
»Bald blühen hier überall die Blumen«, sagte sie wehmütig. »Dann ist es hier richtig schön.«
Peter gaffte die Reihen mit den weißen Steinen mit offenem Mund an. »Wow. Sieh dir all diese Grabsteine an. Das ist echt krass.«
»Warst du noch nie hier?«
Er schüttelte den Kopf. »Da wird man ja ganz klein vor Ehrfurcht.«
Zumindest bei den ersten Malen. Nachdem Riley ihrem Vater jahrelang zugehört hatte, wie er über den Krieg redete, konnte sie die Anzahl der Toten aus den meisten wichtigen Schlachten herunterbeten, doch sie widerstand dem Impuls. Die ordentlichen Reihen verblichener Grabsteine sagten genug.
Peter fuhr total auf Zahlen ab. »Wie viele Gräber sind das?«, fragte er und sah sie an.
»Fast siebentausend, ohne die Toten der Unionstruppen.«
»Ich wusste, dass es viele Todesopfer gegeben hatte, aber man kann es sich nicht richtig vorstellen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat«, sagte er und machte eine Handbewegung, die die Szenerie vor ihnen mit einschloss.
Ein durchdringendes Geräusch durchschnitt die Luft, als Mrs Haggerty einen schrillen Pfiff ausstieß. Unter einem der uralten Magnolienbäume versammelte sich die Klasse um sie.
»Wir fangen sofort an«, teilte sie ihnen mit und reichte dem Schüler, der ihr am nächsten stand, einen Papierstapel. »Verteil die hier. Die füllt ihr aus und gebt sie mir am Ende der Stunde zurück.« Das löste eine Runde Gemurre aus. »Ich weiß, aber zumindest regnet es nicht. Es könnte schlimmer sein.« Sobald die Verteilung der Papiere im Gange war, rief Mrs Haggerty laut: »Riley, bist du hier?«
Riley winkte vom Rand der Menge aus und fragte sich, was das sollte.
»Gut, ich bin froh, dass du noch bei uns bist. Die Geschichte neulich Abend tut mir furchtbar leid, Liebes.«
Riley konnte nur nicken. Eine Menge Augenpaare waren jetzt auf sie gerichtet, und das war ihr unangenehm.
Die Lehrerin wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Gruppe zu. »Heute Morgen wurde mir mitgeteilt, dass wir neue Schüler in der Klasse haben. Ich brauche eure Zuordnungen, Leute, kommt also bitte nach vorne.«
Peter grinste und ging pflichtbewusst zur Lehrerin.
»Hey, Riley«, sagte Brandy und schwebte auf sie zu. Die Brünette trug schwarze Jeans, eine schwarze Jacke sowie eine sündhaft pinkfarbene Bluse. Ihr Gefolge war nicht bei ihr, sondern stand ein Stückchen entfernt und lachte über eine SMS auf dem Handy eines der Mädchen.
»Brandy«, sagte Riley und sondierte die Lage. Als Riley neu in die Klasse gekommen war, hatte Brandy keine Mühe gescheut, damit das neue Mädchen sich gleich zu Hause fühlte. Vorausgesetzt, dem neuen Mädchen gefielen platte Reifen und verschmierte Windschutzscheiben.
»Wer ist der neue Typ?«, fragte sie.
»Das ist mein Freund Peter. Er ist gerade hierher versetzt worden.«
»Er sieht aus
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