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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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plagen beginnen.
    »Also, nehmen Sie Angebot an?«
    »Ich komme bei Ihnen um halb neun vorbei. Dann regeln wir das.«
    »Gut.«
    Ich nickte ihm zu, dann stieg ich aus. Der Fiat fuhr leise an. Die Reifen knirschten auf den Steinen des Bankette und schon war der Wagen hinter einer Ecke der Sanatoriumsmauer verschwunden. Die tiefhängenden dunkelgrünen Blätter der Eichen und Linden, die klare Luft und die grünmoosigen Ziegelsteine der Mauer erinnerten mich ein wenig an ein Märchen. Fast schien es sicher, dass sich hinter der Mauer kein Sanatorium befand, sondern der Zaubergarten der Hexe aus Jorinde und Joringel. Fast wäre ich stehen geblieben, um eine rote Blume zu suchen, mit einem Tautropfen im Kelch, um meine Liebste zu befreien. Das Märchen brachte mich auf eine Idee. Laura mochte sicher Blumen. Ein Vogel zwitscherte vergnügt in den Ästen, ich konnte ihm nachfühlen. Ein herrlicher Morgen.
    Ein paar Minuten später saß ich im 48erBus Richtung Rudolfsheim-Fünfhaus. In den Wiener Linien machen Sommermorgen, auch wenn sie noch so schön sein mögen, deutlich weniger Spaß. Irgendwer isst immer eine Pizza, der Chauffeur ist immer schlecht drauf und der Schweißgeruch des letzten Tages geht über Nacht auch nicht weg. Nach dem Umsteigen war es nicht besser, und im 15. sind die Morgen einfach nicht so strahlend wie am Stadtrand. Dafür gibt’s mehr Autos und weniger Bäume und mehr Hundstrümmerl.
    In der Märzstraße stand ich vorm Kotanko und trat ein. Drinnen war wie immer der Chef, vertieft in die Lektüre seiner Zeitung, sowie ein weiterer Trinker. Aber Kurti war nicht da. Genauso wenig wie die böhmische Schankmaid. An ihrer Stelle stand ein junges Mädchen, das ich noch nie gesehen hatte, hinter dem Tresen.
    »Servas«, begrüßte mich der Chef. »Du suachst’n Kurti.«
    »Genau.«
    »Der wird erst kumman. Trink was, da vergeht die Zeit schneller.«
    »Nein danke, bin in Eile. Wo wohnt der Kurti eigentlich?«
    »Drüben in der Holochergass’n , vis à vis der Hintereinfahrt vom Sissi.«
    »Danke.«
    Mit Sissi war das Kaiserin-Elisabeth-Spital gemeint, nicht etwa ein Tschecherl oder ein Café. Ein paar Straßenüberquerungen später stand ich vor der Haustür. Auf dem Schild der Klingelanlage war Kurti schnell gefunden, ich kannte schließlich seinen Nachnamen. Ich klingelte.
    Nach kurzem Warten rauschte es, und eine alte, belegte Stimme war zu hören.
    »Ja.«
    »Guten Tag, ich bin Arno, ist der Kurti da?«
    »Der schlaft no. Kumm auffa, i weck eam.« Die Gegensprechanlage rauschte wieder und es war still. Dann summte der Türöffner.
    Im Stiegenhaus war alles sauber und ordentlich, die Türmatten wirkten neuwertig und über allem schwebte eine Idee Schnitzelduft vom letzten Abendessen. Im zweiten Stock angekommen, klopfte ich. Hinter der Tür war ein Schlurfen zu vernehmen, es klackte, als Riegel weggeschoben wurden, und schließlich stand eine winzige alte, verhutzelte Frau vor mir. Sie trug eine blaue, geblümte Hausschürze, die Haare streng nach hinten gebunden, wahrscheinlich in einem schönen Zopf.
    »Du bist der Arno?«
    Sie artikulierte ein wenig undeutlich, was daran lag, dass sie entweder ihre Zahnprothese nicht trug oder gar keine hatte. Auf ihrem Kinn sprossen drei schwarze Haare. Die blauen Augen, obwohl schon ein wenig alterstrüb, fixierten mich scharf.
    »Genau.«
    »Kumm eina. Da Kurti is glei do.«
    Die Wohnung war winzig, ein Wohnzimmer mit zerwühltem Tagesbett, eine Küche mit Dusche und eine weitere Tür, die in das Kabinett führte, wo wahrscheinlich die alte Frau schlief. In der Küche plätscherte Wasser, Kurti wusch sich wohl gerade. Insgesamt maß die Wohnung vielleicht 40 Quadratmeter. Alles war penibel sauber. Es gab ein kleines Regal mit ein paar Büchern drin, einen kleinen Schrank mit dem guten Porzellan, wahrscheinlich neben Kurti der ganze Stolz der alten Frau, und einen Tisch mit vier Stühlen. Auf dem Tisch war ein Frühstück vorbereitet. Eine weiße Kaffeekanne, ein kleineres Kännchen mit Milch und ein geflochtener Korb mit schönen, blonden Semmeln, runden und langen. Butter war da, ebenso ein kleiner Tiegel mit Marmelade. Die alte Frau klappte das Tagesbett hoch und wies mir einen Platz zu. Danach legte sie mir ein Gedeck auf und kurz darauf kam Kurti herein. Sein Haar war noch nass und er trug nur ein Unterhemd.
    »Zzzzt«, zischte seine Mutter leise und deutete hinter meinen Rücken, sofort knöpfte sich Kurti sein Hemd zu und setzte sich vollständig

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